Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14

zm 108, Nr. 14, 16.7.2018, (1653) Der Arbeitskreis verfolgt die Ziele: \ das Thema „Ethik in der Zahnmedizin“ in Wissenschaft, Forschung und Lehre zu etablieren, \ das ethische Problembewusstsein der Zahnärzteschaft zu schärfen und \ die theoretischen und anwendungs- bezogenen Kenntnisse zur Bewältigung und Lösung von ethischen Konflikt- und Dilemmasituationen zu vermitteln. www.ak-ethik.de Arbeitskreis Ethik Datenschutz ist ein zentrales Bürgerrecht und aus zahlreichen Bereichen des täglichen Lebens nicht mehr wegzudenken. Der aktuelle Skandal um Facebook, Cambridge Analytica und den Missbrauch von weltweit mehr als 80 Millionen Datensätzen macht deutlich, wie wichtig es ist, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung** zu schützen – völlig ungeachtet der Frage, ob es sich nun um die Daten von gesunden Personen oder um Patientendaten handelt. Kaum einer wünscht sich ernsthaft das Sze- nario einer „Post-Privacy“ – das heißt eines gesellschaftlichen Zustands, in dem es keine Privatsphäre mehr gibt und Datenschutz nicht mehr greift. Doch Schutz vor Datengewinnung und -verarbeitung ist kein Selbstzweck – viel- mehr soll und muss er das Ziel haben, dem Menschen zu dienen. Denn Datenschutz hat stets zwei Seiten: Er besitzt nicht nur eine protektive Funktion, sondern hat zu- gleich auch eine regulierende Wirkung. Pointiert formuliert: Er schränkt Freiheit ein. Ein falsch verstandener, an falscher Stelle eingeforderter oder überschießender Daten- schutz kann demnach persönliche Entfal- tungsmöglichkeiten oder – im vorliegenden Fall – die Gewinnung medizinisch relevanter Erkenntnisse behindern. Hieraus lässt sich ein anspruchsvolles Anfor- derungsprofil an Datenschutzbeauftragte ableiten: Sie müssen mehr sein als bloße „Verhinderer“ – im Idealfall sind sie Exper- ten im verantwortungsvollen Umgang mit Daten, die Orientierungswissen vermitteln, Rat und Hilfestellung geben, Lösungswege ausloten und verantwortungsvoll gestalten. Ein so verstandener Datenschutz zeichnet sich nicht durch Rigorismus oder apodiktische Verhaltensweisen aus, sondern zielt auf eine Ethik der Datenverarbeitung – das heißt auf einen maßvollen, ethisch verantwortlichen Umgang mit Daten unter Einsatz schützen- der Maßnahmen wie etwa Anonymisierung, Pseudonymisierung beziehungsweise ent- sprechende Verschlüsselungstechnologien. Im vorliegenden Fall vertritt der Daten- schutzbeauftragte die Ansicht, dass es nicht erlaubt sei, Gründe für ein „Lost to follow- up“ auszuwerten oder auch nur zu erheben – sofern der betreffende Patient nicht sein explizites Einverständnis zur Erfassung in einer solchen „Negativliste“ gegeben hat. Nach unserem Dafürhalten schießt diese Auffassung über das Ziel des Datenschutzes hinaus. Vier stichhaltige Gründe für diese Einschätzung hat der Studienleiter laut Fall- skizze bereits angeführt: \ Zum Ersten haben die Patienten initial in die Studienteilnahme und in die studien- bezogene Verwendung ihrer Daten einge- willigt, was im Grundsatz auch derartige Statistiken einschließt: Diese Einschätzung folgt dem ethischen Prinzip des Informed consent . \ Zum Zweiten erfolgt die Auswertung ohne Angabe von Personendaten: Sie entspricht demnach dem Gebot der Anonymisierung . \ Zum Dritten steht es jedem Patienten (-vertreter) frei, die Antwort auf die Frage nach den Gründen des Ausscheidens zu ver- weigern: Hier findet also das Prinzip der Freiwilligkeit beziehungsweise der Freiheit von Zwang Berücksichtigung. \ Viertens ist die Qualität klinischer Studien an gewisse Standards geknüpft – und einen solchen Standard etabliert das vorgenannte „CONSORT-Statement“, das explizit nach der Angabe von Gründen eines Ausscheidens fragt: Letzteres ist wiederum Ausdruck des Prinzips der „Guten wissenschaftlichen Praxis“ und ist dementsprechend hoch zu bewerten. Kommentar 1 „Datenschutz muss dem Menschen dienen“ Stichwort Evidenz: Studien erreichen nur dann einen hohen Evidenzgrad, wenn sie die Publikationsbedingungen erfüllen – das heißt beispielsweise, die Gründe für das Ausscheiden bei einer Studie dürfen nicht fehlen. Quelle: www.eupati.eu ** „Informationelle Selbstbestimmung“ bezeichnet das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Evidenzpyramide Meta- Analysen Randomisierte kontrollierte Prüfungen Kohortenstudien Fallkontrollstudien Fallserien oder Fallberichte Leitartikel und Expertengutachten Nachweisstufen 53 Zahnmedizin

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