Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14
zm 108, Nr. 14, 16.7.2018, (1682) Schuchardt wurde am 24. Dezember 1901 als Sohn des Dentisten Johannes Schuchardt in Itzehoe geboren. Nach dem Abitur schrieb er sich 1921/1922 für das Studium der Zahn- heilkunde in Freiburg ein. 1922 wechselte er nach Kiel, wo er zusätzlich das Fach Medizin belegte. 1925 erlangte er die Approbation als Zahnarzt. Nach einem kurzen Studien- aufenthalt in München kehrte er 1926 nach Kiel zurück, schloss dort 1928 das Medizin- studium ab, erhielt die ärztliche Approba- tion und wurde zum Dr. med. promoviert [Riemer, 2005]. Im selben Jahr begann er als Volontärassistent bei Waßmund auf der Kieferstation des Rudolf-Virchow-Kranken- hauses in Berlin. 1929 heiratete er seine jü- dische Kollegin Dr. med. Eva Ries. Das Paar zog nach Norddeutschland, wo Schuchardt sich als Zahnarzt in Itzehoe niederließ. 1930 schloss er im 70 Kilometer entfernten Kiel die zahnärztliche Promotion ab und erlangte den Dr. med. dent. [Riemer, 2005]. 1930 wurde die gemeinsame Tochter Carola geboren, zudem gab er die Praxis auf und trat eine Assistentenstelle an der Kieferklinik des Berliner Zahnärztlichen Universitäts- instituts bei Axhausen an. Schon nach einem Jahr zog es Schuchardt jedoch zu dem Chirurgen Gustav Dencks: Von 1931 bis 1932 war er Assistent an der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses Berlin-Neu- kölln und vertiefte hier seine allgemeinen operativen Kenntnisse [Naujoks, 1966; Pfeifer, 1977, 1985; Riemer, 2005]. Von 1932 bis 1934 war er erneut – nun als Oberarzt – bei Waßmund tätig. In diese Zeit- phase fielen die Geburt des Sohns Andreas sowie die Scheidung von seiner Ehefrau (1933). Inwieweit diese Trennung durch die Macht- übernahme durch die Nationalsozialisten forciert wurde, bleibt offen. Riemer [2005] erwähnt „die sehr unterschiedlichen Tem- peramente der Eheleute“. Fest steht aber, dass Schuchardt seiner ehemaligen Frau auch nach 1933 eng verbunden blieb und dass beide nach dem Ende des „Dritten Reiches“ erneut heirateten [Riemer, 2005]. 1934 folgte die nächste Zäsur: Schuchardt ließ sich als Kieferchirurg in Berlin nieder und blieb in dieser Funktion bis zur kriegs- bedingten Zerstörung des Praxisgebäudes 1943 tätig. Zusätzlich übernahm er 1936 die Leitung der Kieferabteilung des St.-Norbert- Krankenhauses in Berlin-Schöneberg. Nach Kriegsbeginn wurde Schuchardt überdies leitender Arzt eines großen Reservelazaretts für Gesichtsverletzte in Berlin-Tempelhof; dies musste 1943 nach Görden (Brandenburg) verlegt werden. Last, but not least hatte er Versorgungsaufgaben im Hilfskrankenhaus Seebad Mariendorf wahrzunehmen [Naujoks, 1966; Pfeifer 1977, 1985; Riemer, 2005]. Auch privat brachten die späten 1930er-Jahre fundamentale Veränderungen mit sich: Die Lebenssituation seiner geschiedenen Frau und der gemeinsamen Kinder in Nazi-Deutschland hatte sich zugespitzt. So durfte ihre Tochter Carola als „Halbjüdin“ ab 1938 die Schule nicht weiter besuchen. Spätestens mit der „Reichspogromnacht“ (9. und 10. November 1938) war der Familie Ausweglosigkeit ihrer Lage bewusst. Die Emigration der Kinder und ihrer Mutter schien unausweichlich – sie erfolgte, von Schuchardt bestmöglich vorbereitet, im Mai 1939 in letzter Minute, Zielort war New York [Riemer, 2005]. Schuchardt selbst blieb in Deutschland. Ihm gelang es 1944 trotz der beruflichen Mehr- fachbelastung und der privaten Sorgen, sich an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin zu habilitieren. Seine Schrift befasste sich mit dem „Rundstiellappen in der Wiederherstel- lungschirurgie des Gesichts-Kieferbereiches“. Grundlage bildeten umfassend dokumentierte operative Maßnahmen während Schuchardts Lazarettzeit [Naujoks, 1966; Riemer, 2005]. Nach Kriegsende sollten sich seine unver- dächtige Haltung in der NS-Zeit und seine im Krieg abgeschlossene Habilitation aus- zahlen: Während viele Kollegen als politisch belastet galten und zunächst Entnazifizierungs- verfahren durchliefen, wurde Schuchardt nur fünf Wochen nach Kriegsende – am 26. Juni 1945 – zum Direktor der Nordwestdeutschen Kieferklinik sowie zum kommissarischen Leiter der Hamburger Zahnärztlichen Universitäts- klinik ernannt. 1946 erfolgten die Berufung zum Ordinarius und die Ernennung zum Direktor der Zahnärztlichen Universitätsklinik und Poliklinik. Wie steil Schuchardts Karriere verlief, belegen die weiteren beruflichen Eck- daten: 1948 wurde er zum Vorsitzenden der „Vereinigung der Dozenten für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ bestimmt, 1951 zum Dekan der Hamburger Medizinischen Fakultät gewählt und 1954 übernahm er den Vorsitz der „Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie“ [Naujoks, Wegbereiter der Zahnheilkunde – Teil 18 Karl Schuchardt – der wirkmächtigste Nachkriegs-Chirurg Karl Schuchardt (1901–1985) war der wohl einflussreichste Kieferchirurg in der Generation unmittelbar nach Georg Axhausen (1877–1960), Wolfgang Rosenthal (1882–1971) und Martin Waßmund (1892–1956), die dem Fach Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie den Weg bereitet hatten. Schuchardts prägende Wirkung erschließt sich bereits beim Blick auf seine Schüler: 13 seiner Mitarbeiter konnten sich unter seiner Ägide habilitieren, acht wurden Ordinarien und zehn weitere leiteten entsprechende Fachabteilungen. Foto: Nachlass Schuchardts bei Gouse De r QR -Cod e fü hr t zu de n an de ren Teil en d er Se rie „W egbe re it er d er Za hnheil kund e“ 82 Gesellschaft
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