Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15
zm 108, Nr. 15-16, 16.8.2018, (1722) Mesialisierung – Erzeugen wir traumatisierte Patienten? \ Zum Beitrag „Kieferorthopädischer Lückenschluss: Mini-Implantate und Mesialslider in der Therapie“, zm 11/2018, S. 48–59. Mini-Implantate undMesialslider in der Therapie – der Beginn für ein verkorkstes Leben? Bei aller Hochachtung für die Kieferorthopädie, aber wieder wird die abscheulichste Therapie- variante für die Therapie von fehlenden seitlichen Schneide- zähnen im frontalen Oberkiefer als erstrebenswerte Möglichkeit für alle Beteiligten dargestellt. Denn durch die Mesialisierung von Eckzähnen leidet die Ästhetik massiv. Auch wenn behauptet wird, dass die ersten oberen Prä- molaren die Funktion und die Ästhetik als Eckzähne wiederher- stellen könnten: Auch der Laie er- kennt: Es sind nur 4 Frontzähne. Denn der frontale Zahnbogen wird wegen der ausgeprägten Anatomie der Eckzahnwurzeln deutlich enger. Deshalb können Prämolaren die Frontzahnästhetik meines Erachtens nicht wieder so herstellen, dass eine normale Ästhetik entsteht. Das Gesamt- bild wird durch die unpassenden Gingivahöhen und die Zahnhals- breiten regelmäßig derart ver- zerrt, dass noch nicht mal ein komplettes Veneering des fronta- len Oberkiefers Abhilfe schaffen kann. Das Gesicht wirkt, je weiter die Mesialisierung der Eckzähne erfolgt ist, dysharmonischer und schlimmer noch: Die kiefer- orthopädische Mesialisierung von Eckzähnen erzeugt regelmä- ßig mehr oder weniger traumati- sierte Patienten, die nach meiner Überzeugung weniger Erfolg im Beruf, in der Liebe, im sozialen Umfeld haben. Gerade durch den Einzug von Selfies in sozialen Medien kommt einem harmoni- schen Ebenbild eine überaus wichtige Bedeutung zu. Auch ist Jürgen Vogel auf bestimmte Charakterrollen festgeschrieben. Aufgeschreckt wurde ich durch den Suizid eines meiner Patienten nach kieferorthopädisch abge- schlossener Mesialisierung bei- der Eckzähne im Alter von 25 Jah- ren. Man fragt sich, was alles zu einem Suizid eines jungen Men- schen geführt haben könnte. Bei der Befragung der alters- gemäßen Kontaktgruppe bekam ich zu hören, dass es vorher bei ihm zu Verhaltensauffälligkeiten in der Pubertät und schließlich zu Persönlichkeitsstörungen im Erwachsenenalter gekommen ist. ‚Man fühlte sich in seiner Gegen- wart richtig unwohl‘, hieß es. Welche Persönlichkeiten erschaf- fen wir eigentlich mit den Ziel der Mesialisierung von Eckzäh- nen? Denn die Entscheidung für eine Mesialisierung wird meist schon früh vor der eigentlichen Persönlichkeitsentwicklung des jeweiligen Patienten getroffen. Dies geschieht meist durch die besorgten Eltern, die vom Kiefer- orthopäden mehr zur kieferor- thopädischen Lösung gedrängt werden. ‚Sie möchten doch auch nicht, dass bei Ihrem Kind später ein grau-dunkler Implantat-Rand am neuen Schneidezahn zu se- hen ist. Ersparen Sie Ihren Kind doch die vielen Operationen.‘ So oder ähnlich werden die Auf- klärungsgespräche durch den Kieferorthopäden geführt. Da hat auch ein guter Implantologe keine Chance mehr, Überzeu- gungsarbeit zu leisten. Dabei gibt es doch auch noch die Mary- landbrücke, die oft in Vergessen- heit gerät. In den zm Nr. 11 vom 1.6.2018 werden lediglich wenige Lite- raturstellen zitiert, um zum wiederholten Male beachtens- werte Alternativen wie die Im- plantologie, die mittlerweile durch die Keramikimplantate zu hervorragenden Ergebnissen führt und auch die Maryland- Brücke vom Tisch zu kehren. Was fehlt, ist ein umfassendes In- formationsportal im Internet, dass allen gerecht wird. So können sich die meist überfor- derten und besorgten Eltern zu- sammen mit ihrem Kind die bes- te von den drei Möglichkeiten aussuchen. Abgerundet werden kann so ein Portal mit Erfah- rungsberichten von Eltern und Betroffenen. So können wir es sicher ver- meiden, dass die Mesialisierung von Eckzähnen nicht zu einem verkorksten Leben von Betroffe- nen führen kann. Das wünsche ich mir für die Zu- kunft. Dr. Axel Scheffer, Meerbusch Rote Karte für TI/DGSVO – Meine Praxis-EDV kommt nicht ans Netz! \ Zum Beitrag „Postkartenaktion zu Telematikinfrastruktur – KZBV: ‚Die Fundamentallkritik tragen wir nicht mit‘“, zm 08/2018, S. 26-30, und den Leserbriefen „Telematikinfrastruktur – Warum, warum, warum...“ zm 12/2018, S. 9 und „DSGVO – Die Sache mit dem gesunden Menschenverstand“, zm 12/2018, S. 8. Für viele Zahnärzte ist offenbar nicht einsichtig, wie die Praxis-Anbin- dung per Tele-Information mit der Datenschutz-Grundverordnung kompatibel sein soll. Mir ist das auch nicht klar, und aufgrund der stän- digen Datenskandale habe ich auch kein Vertrauen mehr in Zusiche- rungen gleich welcher Art und welcher Herkunft. Wichtig ist mir nur eines: Die Sicherheit der Daten meiner Patienten und meiner eigenen. Deshalb binde ich meine Praxis-EDV auch nicht ans Netz an. Mir ist klar, dass ich wegen derartiger Obstination mit Honorarabzügen bestraft werden kann. Das Risiko nehme ich in Kauf. Mich wundert allerdings, dass dieser Skandal in der Zahnärzteschaft kein wirkliches Thema zu sein scheint. Warum gibt da keinen breiten und ggf. organisierten Protest? Oder liegen wir bereits alle mit ge- strecktemHals zumDaten-Schächten auf der Schlachtbank von Politik und Kassen? Dr. K. Ulrich Rubehn, Elmshorn 10 Leserforum
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