Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15

zm 108, Nr. 15-16, 16.8.2018, (1740) Experten beobachten eine zunehmen- de Fremdkapitalisierung der Zahnme- dizin: Großinvestoren steigen in Pra- xen ein und firmieren sie zu MVZ um. Inwieweit tangiert diese Entwicklung Zahnärzte, die in MVZ beschäftigt sind – etwa in Bezug auf den daraus resul- tierenden Rendite-Druck? Art Timmermeister: Zunächst einmal halte ich es für sinnvoll, zwischen zahnärztlich getragenen MVZ und durch Investoren ge- tragenen MVZ zu unterscheiden. Denn wäh- rend erstere weitgehend denselben bran- chenspezifischen Besonderheiten wie jeder niedergelassene Zahnarzt unterliegen, führt das Investoren-MVZ alleine durch seine Kapitalkraft zu einer Wettbewerbsverzer- rung. Rein auf die Investitionsvolumina be- zogen erscheint das ein wenig wie der Kampf zwischen David gegen Goliath. Inwieweit die Rendite-Erwartungen von Fremdkapitalgebern angestellte Zahnärzte tangieren, lässt sich natürlich noch nicht ab- schließend bewerten. Unsere Erfahrungen zeigen aber, dass die „Skaleneffekte“ im Betrieb einer oder mehrerer Praxen nicht zu überschätzen sind. Es darf also nicht davon ausgegangen werden, dass mit einer mögli- chen Professionalisierung des Praxisbetriebs eine zusätzliche Rendite durch eine Kosten- degression über den branchenüblichen Maßstäben erwirtschaftet wird. Dies voraus- gesetzt bleibt also nur das Einsparpotenzial an der Kostenstelle „Zahnmediziner“. Wir sehen auch keine unmittelbare Ver- schlechterung der Arbeitsbedingungen für angestellte Zahnmediziner, denn in den kommenden drei bis fünf Jahren werden die aktuell durch Investoren akquirierten Praxen noch ganz überwiegend durch die Abgeber begleitet. Dabei handelt es sich um „gereifte“ Behandler, Persönlichkeiten und Unternehmer, die sicherlich überwiegend im Sinne einer freiberuflichen Berufsausübung den Betrieb fortführen werden. Unsere größte Sorge zielt auf die Zeit danach, wenn der tägliche Praxisablauf nicht mehr durch erfahrene und ehemals selbstständige Zahnmediziner sichergestellt wird, sondern durch „Fach- fremde“ – wie angestellte Betriebswirte in der Funktion eines Praxismanagers. Natürlich muss rein rechtlich weiterhin eine ärztliche Leitung installiert sein. Doch wird das Span- nungsfeld „Rendite“ versus „medizinische Versorgung“ dann nicht mehr in Personal- union eines Zahnmediziners entschieden, sondern bestenfalls auf Augenhöhe mit Fach- fremden „verhandelt“. Wir haben bereits jetzt unter unseren Mit- gliedern vereinzelte Fälle, in denen Betriebs- wirte die „Empfehlung“ aussprechen „mehr höherwertige Arbeiten zu erbringen“. Wie gesagt, das Spannungsfeld an sich ist nicht neu, neu hingegen ist, dass aktuell ein neuer Mitspieler auf den ambulanten Versor- gungsmarkt drängt, dessen beruflicher Background nicht von einer medizinischen Ausbildung geprägt ist und dessenMotivation nicht im Heilen von Krankheiten liegt, son- dern der allein von betriebswirtschaftlichen Überlegungen getrieben ist. Mögliche Kon- sequenzen lassen sich historisch auch am Beispiel der Privatisierung des stationären Gesundheitswesens nachvollziehen. MVZ halten viele junge Zahnärzte für attraktive Arbeitgeber, weil dort auf- grund der Strukturen eher die Work- Life-Balance stimmt. Eine Fehlannahme? Sascha Kötter: Dies ist kein Vorteil eines MVZ an sich, sondern ein Vorteil, der sich meist au- tomatisch aus einer größeren Struktur ergibt. Bei Arbeitszeitmodellen, die den Work-Life- Balance-Ansprüchen genügen, sind auch alle übrigen Ressourcen wie Behandlungsräume, Fachpersonal oder Patienten ausreichend vorhanden. Wir müssen Lösungen etablie- ren, die die Wettbewerbsfähigkeit kleinerer Praxen als Arbeitgeber sicherstellen. Hier se- he ich am ehesten die Chance, dass regionale Praxiskooperationen Angebote für Arbeit- nehmer schaffen. Fachliche Zirkel, Hospita- tionen, Angebote für Familien oder spezielle Rahmenverträge mit lokalen Institutionen, sind nur einige Ideen die die Kammern initiieren könnten. Kann man als angestellter Zahnarzt auch in einem Großinvestoren-MVZ langfristig glücklich werden? Art Timmermeister: Das lässt sich nicht pau- schalisieren. Mit Sicherheit gibt es Zahnme- diziner, die schon heute in diesen Strukturen glücklich sind und es auch zukünftig sein werden. Nicht jeder Zahnmediziner ist mit dem Studium zu einem Geschäftsführer und Investor herangewachsen oder möchte sich damit auseinandersetzen. Für sie ist das An- gestelltenverhältnis eine gute Lösung. Auf Strukturen zur Anstellung von Zahnmedizi- nern können wir daher nicht verzichten. Wechselt man aber von der Betrachtungs- ebene des Individuums zu der des Kollek- tivs, stellt sich die Frage: Brauchen wir dazu Investoren? Denn was der Austausch mit einem Vorgesetzten bedeutet, der dem an- gestellten Zahnarzt keine fachliche Bezugs- person sein kann, lässt sich nur erahnen. Eine fachliche Diskussion über die Ausrich- tung des Therapieangebots wird nahezu unmöglich und statt zu entscheiden, wofür Gelder eingesetzt werden, kann der ange- stellte Zahnmediziner allenfalls verhandeln. ? ? ? David gegen Goliath Gut 20 Prozent der Zahnärzte sind angestellt. Welche Folgen hat für sie eigentlich die zunehmende MVZ-isierung? Dr. Art Timmermeister und Sascha Kötter vom Bundesverband der zahnmedizinischen Alumni in Deutschland e.V. (BdZA) befürchten: Wenn es hart auf hart kommt, das Ende der Freiberuflichkeit. Denn am Ende steht die Frage: Ist die Zahnmedizin eine Profession – oder nur ein Job? Dr. Art Timmermeister, MSc, ist stellvertretender Vorsitzender des BdZA, und niedergelassener Zahnarzt in Bielefeld. Foto: privat 28 Zahnärzte-MVZ

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