Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15

zm 108, Nr. 15-16, 16.8.2018, (1742) Auch die politischen Rahmenbedingungen für Investitionen und unternehmerisches Handeln im Markt der zahnärztlichen Ge- sundheitsleistungen haben sich positiv ent- wickelt. Seitdem mit dem GKV-Versor- gungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) im Jahre 2015 auch fachgruppengleiche MVZ zur Versorgung zugelassen wurden, ist erhebli- che Bewegung in den Markt gekommen und die Zahl der zahnärztlichen MVZ steigt rasant an – am Ende des ersten Quartals 2018 waren bereits 544 MVZ im zahnärztli- chen Bereich zugelassen. Zahnärztliche MVZ bieten im Unterschied zu den herkömmlichen Praxisformen die Möglichkeit, unbegrenzt Zahnärzte anstel- len zu dürfen. Damit können zahnärztliche Großversorgungseinheiten entstehen, deren Größe nicht aufgrund gesetzlicher Regelungen, sondern allein durch die jeweiligen lokalen, regionalen und auch überregionalen Märkte limitiert ist. Wegen dieser neuen, von der Politik eröffneten Möglichkeiten kam es zu einer Dynamik in der Branche, die zu weiteren Konzentrationsprozessen führt. In kurzen Intervallen entstehen heute neue Praxisket- ten und Franchiseunternehmen. Zahnmedizin im Fokus von Finanzinvestoren Inzwischen ist zu beobachten, dass die Ge- sundheitsindustrie und Finanzinvestoren in den Kern klassischer Bereiche der Gesund- heitsversorgung vordringen. Denn Fakt ist: Der stabile und konjunkturunabhängige Ge- sundheitsmarkt ist für sie sehr attraktiv. Zum einen sorgt die weitgehende Kontinuität von Umsätzen und Gewinnen im Gesund- heitsmarkt für einen Ausgleich bei Schwan- kungen im Beteiligungsportfolio. Zum an- deren locken durchaus attraktive Renditen. Aus der Sicht der Finanzinvestoren stehen die vielen einzelnen ambulanten Praxen in einem fragmentierten Markt: Jede Praxis hat einen eigenen Einkauf und ein eigenes Ab- rechnungssystem. Eine Konsolidierung ver- spricht Synergie- und Skaleneffekte und da- durch mehr Wachstum. Vor allemdie technik- und kapitalintensiven Facharztdisziplinen erscheinen besonders lohnend. In der La- bormedizin und bei Dialyseeinrichtungen findet schon seit 2010 eine weiträumige Industrialisierung statt. Die Radiologie und Augenheilkunde folgten; auch hier sind be- reits zahlreiche Kettenbildungen zu ver- zeichnen. Da die Zahnmedizin ebenfalls zu den stark technologisch geprägten Fachrichtungen gehört, steht sie zunehmend im Fokus der Investoren. Noch sind sie auf dem deut- schen Zahnarztmarkt vergleichsweise selten vertreten, doch ein Blick nach Europa zeigt, dass hier Aufholpotenzial besteht. Der Anteil der Zahnarztketten lag in Finnland schon vor drei Jahren bei 35 Prozent der Zahnarzt- sitze und in Spanien und Großbritannien machte er etwa ein Viertel des zahnmedizini- schen Markts aus. Die Werte beziehen sich zwar auf das Jahr 2015 und Deutschland lag damals laut einer Analyse von KPMG bei ei- nem Prozent. Doch das ändert sich gerade rasant, in den letzten zwei Jahren haben einige Transaktionen stattge- funden, unter anderem mit Investoren, die Vermögen in Milliardenhöhen verwalten. Für den Einstieg in den ambulanten Ge- sundheitsmarkt kaufen Investoren häufig Kliniken, um daraufhin MVZ gründen zu können. Üblich ist der Aufkauf von einzel- nen Zahnarztpraxen, um so nach und nach das Versorgungsnetz zu erweitern und das Geschäftsfeld zu konsolidieren. Für diese so- genannte Buy-and-Build-Strategie ist die „hochfragmentierte“, also von kleinen Ein- heiten geprägte ambulante Versorgung prädestiniert. Entstehen daraus größere Ver- sorgungseinheiten oder -ketten, können Skaleneffekte genutzt werden, zum Beispiel über die Bildung von Einkaufsverbünden, übergreifende EDV-und Geräteanschaffun- gen, gebündelte Rechts- und Steuerbera- tung oder über den Aufbau eines Marken- images. Diese Entwicklungen ebnen den Weg für eine quasi-industrielle Leistungserbringung im zahnärztlichen Bereich. Aus den her- kömmlichen Praxisformen entstehen zahn- medizinische Unternehmen, die in zuneh- mend differenzierten, arbeitsteiligen Struk- turen in formal durchgestalteten Prozessen industriell Gesundheitsleistungen erbringen – übrigens mit allen Chancen und Risiken, die diese Form des wirtschaftlichen und auch sozialen Handelns mit sich bringt. Wie Wir müssen neue Modelle zur Niederlassung anbieten! Ulrich Sommer Ein Blick auf die Entwicklung der Gesundheitsmärkte zeigt: Die ökonomische Perspektive in der Zahnmedizin bleibt auch in Zukunft sehr attraktiv. Wachsendes Gesundheitsbewusstsein und zunehmende zahnmedizintechnische Möglichkeiten lassen die Nachfrage nach zahnärztlichen Behandlungen steigen, der demografische Wandel sorgt zusätzlich für Bedarf. Für die Zahnärzte ist das zunächst eine gute Nachricht: Sie werden gebraucht. Ulrich Sommer ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank). Foto: apoBank 30 Zahnärzte-MVZ

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