Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15

zm 108, Nr. 15-16, 16.8.2018, (1744) Chef agieren können. Solche unterschiedli- chen Ansätze von unterstützenden Basislö- sungen bis hin zu Full-Service-Lösungen könnten die Antwort auf die sich verändern- den Strukturen im Gesundheitswesen sein. Da es zu den Kernaufgaben der Deutschen Apotheker- und Ärztebank gehört, die Nie- derlassungen von Heilberuflern in Deutsch- land zu fördern, wollen wir in Abstimmung mit den Standesorganisationen ein entspre- chendes Modell entwickeln. Ein Modell, das einer eigenen Praxis mit all der Flexibilität und den Freiräumen einer selbstständigen Tätigkeit möglichst nahekommt – nur ohne die anfänglich hohen Investitionskosten und dadurch mit deutlich eingeschränktem per- sönlichem Risiko. Damit würden wir Selbst- ständigkeit erlebbar machen, mit dem Ziel verbunden, die Zahnärzte von dem Mehr- wert zu überzeugen, den sie als Praxiseigen- tümer hätten, und ihre Fähigkeiten zu schu- len, die Praxis selbstständig zu führen. Gemeinsam in die richtige Richtung lenken Die Industrialisierungstendenzen haben die Zahnmedizin erreicht und schaffen hier neue Konkurrenzsituationen. Die herkömmlichen Praxisformen werden gegen eine zunehmend industriell geprägte Leistungserbringung in Praxisketten oder gar Dentalkonzernen antre- ten müssen. Es entsteht ein Wettbewerb zwi- schen Groß und Klein, dessen Ausgang offen ist. Denn im Gesundheitsmarkt herrschen in vielerlei Hinsicht besondere „Marktbedin- gungen“, angefangen von den wechselnden politischen Rahmenbedingungen über wirk- mächtige gesellschaftliche Einflüsse bis hin zu den Bedürfnissen der Patienten. Deswe- gen sind wir nicht handlungsunfähig. Im Gegenteil: Wenn wir die Initiative ergreifen, mit Kreativität und gemeinsamen Anstren- gungen neue Ideen entwickeln, dann kön- nen wir den Wandel mitgestalten und in die richtige Richtung lenken, beispielsweise mit neuen Versorgungskonzepten. Unser ge- meinsames Ziel ist es schließlich, die Freibe- ruflichkeit im Gesundheitswesen zu erhalten und Heilberufler bestmöglich bei den Verän- derungen zu begleiten. \ „In Westfalen-Lippe verzeichnen wir mehrere Aktivitäten von Investoren, die mit Fremdkapital in reine Zahnarzt-MVZ investieren wollen. Ein internationaler Private-Equityfonds hat eine oralchirurgische Privatzahnklinik übernommen und besitzt in Baden-Würt- temberg eine orthopädische Klinik, die als Trägerin für reinzahnärztliche MVZs dienen soll. In Münster hat sich die Tochtergesell- schaft eines großen Kaffeerösters nieder- gelassen, der international in Europa mit aufgekauften Zahnarztpraxen schon Um- sätze über 300 Millionen Euro realisiert, und sucht Praxen zur Übernahme. Münster gehört zu den finanzstärksten und gleich- zeitig zahnmedizinisch bestversorgten Re- gionen in Westfalen-Lippe. Der Zweck ist nicht eine Verbesserung der zahnärztli- chen Versorgung, sondern ein maximaler Profit für die Investoren. Als KZVWL sind wir im Flächenland Westfalen-Lippe nach Kräften bemüht, auch in Zukunft die flächendeckende zahnmedizinische Versorgung sicherzu- stellen. Wir nutzen intensiv alle Möglich- keitenwie Hospitationen und Patenschaften, unseren beruflichen Nachwuchs für eine selbstständige eigenverantwortliche Tätig- keit niedergelassen in der eigenen Praxis zu begeistern. Gerade jetzt fangen kom- merzielle MVZs an, eben diese für die zu- künftige zahnärztliche Versorgung wichtige Gruppe in die gutversorgten und finanziell lukrativen Regionen zu locken. Großstruk- turen bisher unbekannten Ausmaßes wer- den gegründet, die die selbstständigen, freiberuflichen und eigenverantwortlich tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzte vom Markt drängen werden. Auf der Strecke bleiben unsere Patienten in schwach strukturierten Regionen wie in Ostwestfalen, dem Sauer- und Siegerland und dem westlichen Westfalen, Praxen dort, die jetzt schon Probleme in dieser Hinsicht haben, werden keine Nachfolger mehr finden und schließen müssen. Die von der Politik immer wieder versprochene wohnortnahe, persönlich individuelle und qualitativ hochwertige Versorgung wird es dann nicht mehr geben. Die für die Zu- kunft der Versorgung wichtige junge Generation von Zahnärzten findet kein wie heute noch breit gefächertes passendes Angebot an Berufsausübungsmöglichkeiten in niedergelassenen Praxen, das ihren individuellen Vorstellung der viel zitierten Work-Life-Balance gerecht wird, sondern kann sich nur noch für Angestelltenverträge in profitorientiertenMVZmit entsprechen- den Behandlungsvorgaben entscheiden. Auf der Landesebene arbeiten wir gemein- sam mit der Zahnärztekammer Westfalen- Lippe in einer von Landesgesundheits- minister Karl-Josef Laumann (CDU) ge- gründeten Arbeitsgruppe zur Thematik mit, an den Bundesgesundheitsminister haben wir uns in einem offenen Brief ge- wandt, der sehr große Unterstützung aus dem Kreis unserer Mitglieder erfuhr. Trotz dieser vorgetragenen und auch seitens der Politik konzedierten Faktenlage enthält der jetzt vorgelegte Entwurf zum TSVG unver- ständlicherweise keinerlei Ansätze, die be- schriebenen Missstände und Gefahren ab- zuwenden. Hier ist der Gesetzgeber, der uns den Sicherstellungsauftrag gegeben hat, jetzt in Pflicht, endlich tätig zu werden, bevor Fakten geschaffen sind die nicht mehr revidierbar sind. Die Investoren stehen nicht erst ante portas, sondern sind bereits im Begriff, diese zu durchschreiten.“ Dr. Holger Seib Vorstandsvorsitzender der KZV Westfalen-Lippe „Jetzt muss gehandelt werden!“ B LICK AUF W ESTFALEN -L IPPE Foto: KZVWL 32 Zahnärzte-MVZ

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