Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15

zm 108, Nr. 15-16, 16.8.2018, (1758) Von Sadisten, Endsätzen und einem Zielkonflikt „Schrecklich – einfach nur ein Choleriker!!! [...] Er müsste sich selbst professionelle Hilfe aufsuchen, [...] Nie wieder!!!“, schreibt ein User auf jameda über einen Kinderarzt aus NRW. Ein anderer bescheinigt demselben Arzt, ein sehr guter und vor allem kinder- freundlicher Arzt zu sein, der sich immer sehr viel Zeit für seine kleinen Patienten nimmt. Ein Zahnarzt aus München ist in den Augen des einen Nutzers ein Sadist, zudem un- glaublich unhöflich und aggressiv im Aus- druck, aus Sicht eines anderen sehr freund- lich und professionell. Wenn man solche Beispiele liest, von denen es auf der umstrittenen Ärztebewertungs- plattform viele gibt, ist man unwillkürlich an den berühmten Satz des guten Henry Jekyll erinnert, der in Robert L. Stevensons „The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ fest- stellt: „Man is not truly one, but truly two.“ Was hier augenzwinkernd daherkommt, hat einen durchaus ernsten Hintergrund. Dass die Erwartungen an einen Arzt und die Eindrücke von ihm von Patient zu Patient unterschiedlich ausfallen, ist nicht unge- wöhnlich. Auch bei anderen Bewertungs- plattformen wie Amazon oder Tripadvisor gehen die Meinungen der Nutzer über die Objekte ihrer Bewertungen auseinander – jedoch selten so extrem wie bei jameda. Das ist kein Zufall. Anders als bei anderen Bewertungsplatt- formen kann man bei jameda den „Track- Record“ eines Bewertenden, gleichsam seine Bewertungshistorie, nicht nachvollziehen. Man kann nicht einschätzen, ob der Nutzer, der einem Arzt eine ungenügende Leistung attestiert, überhaupt schon einmal mit einem Standeskollegen zufrieden war. Wo andernorts im Interesse der eigenen Glaub- würdigkeit Ausgewogenheit und Mäßigung Trumpf sind, fällt es hier – im Schutz völliger Anonymität – noch leichter, seinen Arzt ein- mal so richtig abzuwatschen. Da gibt es dann für eine „lange Wartezeit trotz Termin“ auch schon mal die Note 6 in allen von jameda angebotenen Kategorien, angefangen bei „Behandlung“ über „Vertrauensverhältnis“ bis hin zu „Parkmöglichkeiten“. Und da ist noch etwas: Henry Jekyll ist zwar im wahrsten Sinne Geschichte. Die Melodie, jameda: Gedanken aus juristischer Sicht Ärztebewertungen zwischen Dr. Jekyll und Mr. Hyde Die Ärztebewertungsplattform jameda hat einen Zielkonflikt: Einerseits verkauft sie Premium-Pakete an ihre Kunden, die – zu Recht – eine Gegenleistung erwarten. Andererseits will sie Patienten neutral informieren. Das Profil eines nicht-zahlenden jameda-Kunden glänzt durch Schlichtheit und trägt in der Regel das Gütesiegel „Die Bewertungen von ... zeigen nach den jameda Qualitätsindizes keine Auffällig- keiten.“ Bei jameda-Premium- Kunden wird auf dieses Siegel da- gegen verzichtet. Ist das Absicht? Foto: [M]vege – stock.adobe.com/zm-nb 46 Praxis

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