Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15
zm 108, Nr. 15-16, 16.8.2018, (1760) viele zufriedene Kunden zu haben. Unter solchen Rahmenbedingungen denaturiert der Anspruch, Patienten neutral zu infor- mieren, zur kleinen Münze. So sieht ein Ziel- konflikt aus. jameda weist das von sich, bestreitet aber nicht, dass Premium-Kunden eine bevorzug- te Behandlung erfahren. Dazu zählt etwa ein regelmäßiges Erscheinen auf der Startseite von jameda oder ein Profil-Service, bei dem „alle Möglichkeiten“ ausgeschöpft werden. Das hieß bislang auch, dass auf den Seiten nichtzahlender Ärzte die Profile ihrer „Premium-Konkurrenz“ werbemäßig einge- blendet wurden. Diese Funktion hat beson- ders Unmut ausgelöst: Muss man sich, wenn man schon gegen seinen Willen auf jameda gelistet ist, auch noch zum Büttel seiner Wettbewerber machen lassen? Insbesondere an diesem Umstand, der auch aus Sicht der informationssuchenden Patienten problematisch ist, hat sich die Frage entzündet, ob man als Arzt die Möglichkeit haben sollte, sein Profil bei jameda vollständig löschen zu lassen. Bereits 2014 hatte ein Gynäkologe dieses Ansinnen bis zum Bundesgerichtshof verfolgt und sich dabei auf einen datenschutzrechtlichen Löschungsanspruch berufen: Sein Recht auf informelle Selbstbestimmung wiege schwerer als das Recht von jameda und dessen Nutzer auf Meinungs- und Medienfreiheit. Er wies dabei auch auf die Ungleichbehandlung durch die Premium-Pakete von jameda hin. Allerdings unterlief ihm – rückblickend be- trachtet – ein folgenschwerer prozessualer Fehler. Er hatte es nämlich versäumt, die kommerzielle Seite von jameda bereits in einer der beiden Tatsacheninstanzen zu the- matisieren. Der Bundesgerichtshof kann neuen Tatsachen- stoff jedoch nicht berücksichtigen; seiner rechtlichen Überprüfung legt er vielmehr den vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt zugrunde. Die Karlsruher Richter mussten sich daher auf die Bewertung des Geschäftsmodells in Gestalt der Veröffent- lichung von „Basisdaten“ gemeinsam mit von Nutzern vergebenen Noten und verfass- ten Kommentaren beschränken und gaben der Meinungs- und Medienfreiheit von jameda insoweit den Vorzug. Unlängst hat der Bundesgerichtshof aller- dings – durchaus überraschend – die Gele- genheit bekommen, das Geschäftsmodell von jameda nochmals unter die Lupe zu nehmen. Eine niedergelassene Dermatologin wehrte sich dagegen, dass jameda – aus ihrer Sicht – die Arztwahl durch geschickte Marke- tingmaßnahmen zugunsten zahlender Kunden manipuliere und ihr gegen ihren Willen und ohne ihre Zustimmung einge- richtetes Profil und ihre Daten nutze, um zahlenden Kunden „eine Werbeprojektions- fläche“ zu bieten und verklagte jameda auf vollständige Löschung ihres Profils. Der Fall der klagenden Dermatologin Angesichts der Entscheidung aus 2014 war dies ein mutiges Unterfangen. Die klagende Ärztin musste dann auch erst zwei Nieder- lagen einstecken, bis ihr schließlich in drit- ter Instanz Recht zugesprochen wurde. Im Kern begründet der Bundesgerichtshof sein Ergebnis damit, dass jameda seine Stellung als „neutraler Informationsmittler“ verlassen habe: Indem die Profile von Ärzten, die kein Premium-Paket gebucht haben, als Werbeplattform für die Profile zahlender Ärzte genutzt werden, sollten ersichtlich potenzielle Patienten stärker zu Premium- Kunden gelotst werden. Damit habe jameda einzelnen Ärzten verdeckte Vorteile ver- schafft. In der Gesamtabwägung der konkurrierenden Belange führe dies dazu, dass das Interesse der klagenden Ärztin auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten überwiege. Dass der Bundesgerichtshof mit der Figur des „neutralen Informationsmittlers“ ein originär haftungsrechtliches Konstrukt auf den hiesigen Fall überträgt, ist kühn, aber überzeugend. Hier wie dort ist es gerecht- fertigt, den Wechsel in eine aktive Rolle als Ausdruck eines geringeren Schutzbedürf- nisses zu werten. Die schwächere Gewich- tung der Meinungs- und Medienfreiheit des Portalbetreibers beziehungsweise seines Interesses an einem möglichst umfassenden Überblick ist gewissermaßen der Preis dafür, dass er gegen Entgelt zugunsten einzelner Unternehmer am Wettbewerb teilnimmt. jameda hat nach der Urteilsverkündung die beanstandete Werbeeinblendung um- gehend abgestellt und nimmt für sich in Anspruch, in die Rolle eines neutralen Informationsmittlers zurückgekehrt zu sein. War also alles mehr oder weniger umsonst? Alles beim Alten? Mitnichten: Die Werbeeinblendungen sind nur ein besonders deutlicher Fall selektiver Bevorzugung, weil diese unmittelbar auf dem Rücken der nicht zahlenden Ärzte stattfindet. Jegliche, auch subtilere Optimie- rungs- oder Werbemaßnahmen, mit denen jameda ihre Premium-Mitglieder aktiv unterstützt, sind mit einer neutralen Rolle nicht vereinbar. jameda wird sein Geschäfts- modell überdenken müssen. Jedenfalls die Kombination aus Informationsmittler und Werbebotschafter verträgt sich nicht. Dass der Bundesgerichtshof in seiner Sachver- haltsdarstellung – über die streitigen Werbe- einblendungen hinaus – Aussagen von ja- meda aufgegriffen hat, wonach individuell ausgestaltete Profile zahlender Kunden deutlich häufiger aufgerufen würden und der „Premium-Eintrag“ auch die Auffindbar- keit des Ärzteprofils über Google steigere, wird man als entsprechenden Fingerzeig des Senats verstehen dürfen. Auch für diejenigen, die nicht beabsichtigen, jameda den Rücken zu kehren, hat der Fall der Dermatologin eine Botschaft: Die digitale Reputation bedarf kontinuierlicher Pflege – notfalls mit gerichtlicher Hilfe. Die betroffene Ärztin hat in nur einem Jahr 17 Bewertungen erfolgreich beanstandet und dadurch einen Notensprung von 4,7 auf 1,5 ge- macht. Das spricht Bände. RA Dr. Thomas Jochheim Klinkert Rechtsanwälte, Frankfurt am Main und RRef Christoph Palzer Wiss. Mitarbeiter ebd. Foto: privat Foto: privat 48 Praxis
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