Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15

zm 108, Nr. 15-16, 16.8.2018, (1763) wiesen sind. Das Personal am Empfang sollte deshalb stets Blickkontakt halten und das Mundbild sollte gut sichtbar sein. Wenn die ZFA beim Tippen auf die Tastatur schaut oder sich zu Kollegen umdreht, ist ihr Mundbild nicht mehr zu sehen. Der Patient kann dann nicht verstehen, was sie sagt. Optimal für zukünftigen Behandlungen wäre, dies in der Akte zu vermerken. Beim Aufruf zur Behandlung eines hör- behinderten Patienten sollte der Name nicht einfach ins Wartezimmer hinein- gerufen oder durch Lautsprecher angesagt werden. Am besten geht man zum Patienten, um durch eine Winkbewegung der Hand Blickkontakt aufzunehmen und ihn zu bitten, mitzukommen. Sollte der Patient zum Bei- spiel lesen, darf man ihn durch ein leichtes Antippen an der Schulter oder am Arm „an- sprechen“. Viele Behandlungszimmer sind so einge- richtet, dass der Patient Richtung Fenster schaut, er bekommt weder visuell noch akustisch mit, wenn jemand das Zimmer be- tritt. Steht plötzlich der Arzt oder die ZFA neben ihm, erschreckt er sich. Um diese Situation zu umgehen, kann man Patienten mit Hörbehinderung erst ins Behandlungs- zimmer führen, wenn das Team einsatz- bereit im Raum ist. Bei der Erstbehandlung sollte man auf jeden Fall mehr Zeit einplanen. Bei gehör- losen Patienten kann es sein, dass sie einen Gebärdensprachdolmetscher oder einen Kommunikationsassistenten mit- bringen. In solchen Fällen sollte man immer zu den Hörgeschädigten sprechen – und nicht zur Begleitung oder zum Dol- metscher. Also direkt den Patienten fragen, statt die Begleitung aufzufordern, Fragen zu stellen (etwa seit wann der Patient Schmerzen hat oder unter welchen Aller- gien er leidet). Bei den meisten Arztbesuchen sind Patien- ten aber ohne Dolmetscher unterwegs. Die Gründe hierfür sind unter anderem die Frage der Kostenübernahme und der in Deutsch- land herrschende Dolmetschermangel. Zur- zeit sind nur etwa 500 Gebärdensprachdol- metscher tätig, viele von ihnen haben einen lang im Voraus ausgebuchten Terminkalender. Schnell auf den Punkt, statt lange zu reden Um den Behandlungsverlauf angenehm und einigermaßen barrierefrei zu gestalten, emp- fehle ich folgende Kommunikationstipps: \ Sehr hilfreich ist, wenn der Zahnarzt und seine Mitarbeiter bei Patientengesprächen mit deutlicher Mimik und Gestik sowie natürlicher Körpersprache ihre Aussagen unterstützen und betonen. Wenn möglich, hochdeutsch sprechen, Dialekte sind sehr schwer oder gar nicht ablesbar. Ebenso störend sind Kaugummis oder Bonbons im Mund. Ein zu lang gewachsener Oberlippen- bart erschwert ebenfalls das Ablesen. \ Vor der Behandlung langsam, deutlich und mit kurzen Sätzen ohne überflüssige Floskeln erklären, was gemacht wird. Den- ken Sie daran: Je länger der Satz, umso schwieriger ist das Ablesen. Statt lange zu reden besser den „Ist-Zustand“ beziehungs- weise die vorgeschlagene Behandlung mit- hilfe von Modellen, Röntgenaufnahmen, Abdrucken oder Fotos visualisieren und er- klären. Wenn man einzelne Befunde oder Behandlungsschritte erklären will, ist es gut, so viel wie möglich zu visualisieren. Man kann dann mithilfe von Papier und Stift kommunizieren oder eben einzelne Gebärden ins Patientengespräch einbauen. Eine Wunde, bei der Pus ausgetreten ist, erklären Sie dann durch die Gebärde für Eiter. \ In Deutschland leben rund 16 Millionen Hörgeschädigte, davon sind geschätzt etwa 80.000 gehörlos, 3,5 Millionen Menschen tragen Hörgeräte oder Cochlea Implantate. Ungefähr 200.000 Menschen kommunizie- ren in Gebärdensprache. Da unsere Gesell- schaft immer älter wird, wächst der Patien- tenkreis der Hörbehinderten. Hörbehinde- rung ist eine unsichtbare Behinderung, die erst in der Kommunikation bemerkbar wird. \ Die Höhe des Hörverlusts wird in Dezibel (dB) angegeben: Bei einem leichteren Hör- verlust zwischen 25 und 40 dB kann man ein Gespräch über das Ohr noch verstehen. Aber bereits ab 40 bis 70 dB Hörverlust kann es passieren, dass der Patient dem Gespräch trotz Hörhilfsmittel nicht ganz folgen kann. Je höher der Hörverlust, umso mehr ist der Betroffene auf das Mundbild des Gesprächs- partners angewiesen. \ Gehörlose Menschen sind entweder hoch- gradig hörgeschädigt (Hörverlust zwischen 85 und 100 dB) oder taub (Hörverlust über 100 dB). Selbst mit Hörgeräten können sie keine Sprache verstehen, sondern nur Hör- eindrücke und Geräusche wahrnehmen. Hörgeschädigte in Deutschland 51

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