Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15

zm 108, Nr. 15-16, 16.8.2018, (1766) Es gibt zwei Arten von Chefs: Die einen, die bei jeder Spannung sofort flüchten, und diejenigen, die sich ad hoc einmischen. Welchen Typus fin- den Sie besser? Regina Först: Das ist eine gute Frage, aber nicht eindeutig zu beantworten. Ich denke, wenn meine Mitarbeiter in der Lage sind, einen Streit selbst zu lösen, kann ich ihnen diese Freiheit geben. Das Problem dabei: Die meisten Menschen haben nicht gelernt, eine Kontroverse „einfach“ zu lösen – also einen Konflikt so zu führen, dass sie für sich selbst einstehen, und nicht gegen andere kämpfen. Konflikte entstehen meist auf der Beziehungsebene und werden auf der Sach- ebene ausgetragen. Hier braucht es eine gute Reflektion auf beiden Seiten. Genau dies sollte ich meinen Mitarbeitern beibringen! Wie das? Etwa indem ich meinen Mitarbeitern klar- mache, welche Regeln und Werte es in meiner Praxis gibt. Ich muss klar benennen, besser noch mit dem Team gemeinsam aufstellen, wie wir miteinander umgehen wollen – sonst enden „harmlose“ Reibereien schnell im Chaos. Und wenn die Fronten zwischen Mitarbeitern erst einmal verhärtet sind, muss ich als Chef in jedem Fall ein- greifen. Sobald das nämlich geschehen ist, weiß der Patient sofort Bescheid. Inwiefern? Wenn eine Mitarbeiterin ins Behandlungs- zimmer kommt, um einer Kollegin etwas zu geben, und sagt „Hier ist das Röntgenbild, dass Du gesucht hast“, weiß ich als Patient sofort Bescheid, ob die beiden sich verstehen oder überhaupt nicht leiden können. Letzte- ras ist in Arzt- oder Zahnarztpraxen, wo der Patient sich eh in einer angespannten Situa- tion befindet, eine absolute Katastrophe! Längst bevor der Konflikt eine Form ange- nommen hat, dass der Patient die schlechte Stimmung in der Praxis spüren kann, muss der Behandler eingreifen. Sofort! Aber – und das ist die Crux – dadurch kann der Konflikt vielleicht auf der Sachebene gelöst werden, nicht aber auf der Beziehungsebene. Dem- entsprechend ist mein erster Punkt ent- scheidend: Ich muss meine Mitarbeiter dazu befähigen, dass sie selbst Konflikte austragen, ohne gegeneinander zu kämpfen. Und hier muss ich natürlich wieder einmal bei mir selbst anfangen (schmunzelt). Was ist der größte Fehler, den Chefs in Bezug auf ihr Team machen können? Dass sie ihre Mitarbeiter vergleichen, statt sie gleich zu behandeln! Eigentlich ist das aber sogar völlig verständlich. Wir wollen zwar alle objektiv sein, können es aber gar nicht. Wir sind subjektiv. Immer. Aber das darf der Mitarbeiter natürlich nicht merken. Es ist wie in der Schule: Stolz präsentiert man seinen Eltern seine Zwei in der Mathearbeit, sie fragen aber nur danach, wie viele Schüler eine Eins und eine Zwei bekommen haben. Puh! Genauso ist es im Team: Durch den Vergleich mit anderen fühlt sich der einzelne Mitarbeiter nicht wertgeschätzt. Wie kann man dem entgegenwirken? Indem ich meine Haltung ändere. Eine gute Führung bedeutet, sich für die Menschen und ihre Persönlichkeiten zu interessieren – ohne sie dabei zu bewerten! Das ist ganz entscheidend. Von dem US-amerikanischen Psychologen Marshall Rosenberg stammt der Satz: „Die höchste Form menschlicher Intelligenz ist, zu beobachten, ohne zu bewerten.“ Wenn ich diese Haltung ein- nehmen kann, freue ich mich darüber, dass mein Team bunt und heterogen ist. Und das ist auch gut so! Wenn alle meine Mitarbeiter mir sehr ähnlich sind, dann habe ich natürlich automatisch einen guten Draht zu ihnen, aber es besteht die Gefahr, dass sie mir eigentlich nur meine Art zu denken be- stätigen. Und das bringt mich persönlich ja nicht nach vorne. Die Menschen, die ganz anders sind als ich, sind im ersten Moment sicherlich unbequem, aber von denen kann ich irre viel lernen. Deshalb sollte ich als Praxisinhaber immer das bunte, heterogene Team bevorzugen. Natürlich fordert mich das als Führungskraft, jede Mitarbeiterin individuell zu sehen und zu führen. Die eine braucht manchmal den lieb gemeinten „Tritt“ in den Hintern, die andere dagegen viel Wärme und der dritte nur zwei klare, kurze Ansagen. Das alles muss ich dann herausfinden als Führungskraft. Warum sollte der Zusammenhalt im Team überhaupt gut sein? Reicht es nicht aus, wenn ordentlich gearbeitet wird? Es müssen ja nicht alle Mitar- beiter miteinander befreundet sein ... Nur wenn Praxisinhaber den Zusammenhalt im Team stärken, haben sie hochmotivierte Mitarbeiter und nur so können sie wachsen ? ? ? ? ? ? Regina Först zur Frage „Was tun bei Stress im Team?“ „Hören Sie auf, Ihre Mitarbeiter zu bewerten!“ Tabea redet nicht mehr mit Anja, und Ayse hat Stress mit Ute. Es ist doch schon genug zu tun, jetzt also auch noch Zickenkrieg. Kommunikationstrainerin Regina Först weiß, wie Chefs reagieren sollten, wenn es im Team brodelt: authentisch. Regina Först zählt zu den erfolgreichsten Unternehmensberaterinnen im deutsch- sprachigen Raum. Zu ihren Kunden gehören Audi, Beiersdorf, VR Banken, REWE, Shell oder Wella. Seit über 25 Jahren führt sie in Vorträgen und Coachings Menschen auf den Weg zu Authentizität, Klarheit und Stärke. Foto: M. Goldenbaum 54 Praxis

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