Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15
zm 108, Nr. 15-16, 16.8.2018, (1788) Tiefe Hirnstimulation: Wenn die Therapie mit L-Dopa im Verlauf zu Wirkschwankun- gen führt, können andere Therapien einge- setzt werden, um die Symptome weiterhin bestmöglich zu unterdrücken. Hier haben sich die Tiefe Hirnstimulation als operatives Verfahren sowie die Apomorphin- oder Duo- dopapumpe als invasive Therapieoptionen etabliert [Pedrosa and Timmermann, 2013]. In späteren Krankheitsphasen ist die größte Herausforderung, einen konstanten Wirkspiegel der Parkinson-Medikamente herzustellen und damit die motorischen Schwankungen und/oder Dyskinesien möglichst gering zu halten. Bei der Apomorphinpumpe wird der Dopaminagonist subkutan appliziert, wobei der Wirkspiegel im Plasma in weniger als zehn Minuten erreicht wird. Hierbei stehen zwei verschiedene Methoden zur Verfü- gung: entweder die subkutane Apomorphin- injektion bei Bedarf (APO-Pen) oder die kon- tinuierliche Injektion durch die Pumpe. Bei der Duodopapumpe wird L-Dopa durch eine PEG kontinuierlich in den Dünndarm abgegeben. In den vergangenen Jahren hat sich zuneh- mend das operative Therapieverfahren der Tiefen Hirnstimulation etabliert. Durch eine hochfrequente elektrische Reizung im Ziel- gebiet kann die Nervenzellaktivität im er- krankten Hirnareal reversibel blockiert wer- den. Für die dauerhafte elektrische Reizung wird eine Stimulationselektrode meist bi- hemisphärisch in das Zielgebiet implantiert und mit einem Generator verbunden. Dieser wird unterhalb des Schlüsselbeins eingesetzt, das Schrittmachersystem wird mithilfe eines Programmiergeräts telemetrisch eingestellt. So kann durch eine Veränderung der elek- trischen Parameter die Wirkung verstärkt oder abgeschwächt werden [Pedrosa and Timmermann, 2013] (Abbildung 2). Für die zahnärztliche Behandlung ist zu beachten, dass bei Parkinsonpatienten mit Tiefer Hirnstimulation die Möglichkeit schwer- wiegender neurologischer Komplikationen nach Diathermieanwendung besteht, wo- durch dies während der Behandlung kontra- indiziert erscheint [Nutt et al., 2001; Roark et al., 2008]. Ebenso kann die Nutzung elektrischer Kauter in einem Komponentenversagen des Stimu- lators enden, aber das THS-System kann für die Dauer der Zahnarztbehandlung durch den Neurologen ausgeschaltet werden, was aber wieder mit einer Zunahme der moto- rischen Symptome verbunden ist. Speichelfluss und Schlucken Die Patienten leiden häufig sowohl an sub- jektiver (Xerostomie) als auch an objektiver (Hyposalivation) Mundtrockenheit [Barbe, Heinzler et al., 2017], was die Lebensquali- tät negativ beeinflusst (Abbildung 3). Die genauen Mechanismen hierfür sind noch ungeklärt, eigene, noch nicht veröffentlichte Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Dopaminagonisten eine maßgebliche Rolle bei der Entstehung der Mundtrockenheit spielen. Dies wird möglicherweise unter- stützt durch eine krankheitsbedingte auto- nome Dysfunktion. Die Auswirkungen der Mundtrockenheit auf die Mundgesundheit, Diagnosefindung und Therapiemöglichkei- ten sind ausführlich beschrieben. So stehen verschiedenste Produkte wie Mundspül- lösungen, Mundgele, Zahnpasten und Mund- sprays sowie Speichelersatz zur Verfügung, die den Patienten symptomatische Linderung verschaffen sollen. Hierbei zeigt die klinische Erfahrung, dass sich die Auswahl der Pro- dukte durch Behandler und Patient maß- geblich nach dem Geschmack und dem Preis richtet und zum jetzigen Zeitpunkt aus Patientensicht häufig nur eine eher kurzfris- tige Hilfestellung bietet (etwa vor Terminen, bei denen viel gesprochen werden muss). Es besteht also dringender Entwicklungsbedarf hinsichtlich sozial-verträglicher Darreichungs- formen für die dauerhafte Anwendung, die auch die patientenbezogenen Bedürfnisse und Präferenzen stärker mit einbezieht. Viele Patienten mit Morbus Parkinson leiden unter dem sogenannten Drooling, was be- Abbildung 3: Mundhöhle eines Patienten mit Morbus Parkinson (elf Jahre nach Erstdiagnose) mit starker Mundtrockenheit 76 Zahnmedizin
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