Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15

zm 108, Nr. 15-16, 16.8.2018, (1794) Verletzungen von peripheren Ästen des Nervus trigeminus (Nervus lingualis und/ oder Nervus trigeminus) stellen mitunter die problematischsten Komplikationen im Rahmen invasiver zahnärztlicher Eingriffe mit potenziellen medizinrechtlichen Impli- kationen dar. Eine Therapie sollte frühzeitig erfolgen, wobei in der spärlich vorhandenen Literatur zum Teil von unbefriedigenden Zeitintervallen von mehr als zwölf Monaten zwischen Verletzung und Reparaturversuch berichtet wird. Dieses Phänomen beruht möglicherweise darauf, dass in der Mehr- heit der Fälle eine Besserung von selbst auf- tritt. Tatsächlich sind die Folgen einer fehl- geschlagenen Genesung für den betroffenen Patienten zu gravierend, um nicht in allen Fällen die potenziellen Optionen zur Rekon- stitution auszuschöpfen. Hintergrund und Fragestellung Der Nervus trigeminus, der fünfte Hirnnerv, ist der größte peripher-sensorische Nerv des Körpers. Er versorgt sensibel das Gesicht, die Augen, den Mund und den Skalp über seine drei peripheren Äste (Nn. ophthalmicus, maxillaris, mandibularis). Ebenso innerviert er die Kaumuskulatur. Periphere Schädigungen des Nervus trigeminus können bei vielen invasiven zahnärztlichen oder zahnärztlich- chirurgischen Eingriffen auftreten (Abbil- dung 1) [Kämmerer PW et al., 2015]. Von iatrogenen Schäden nach invasiven zahn- ärztlichen Eingriffen sind vor allem der Nervus lingualis (lose im Weichgewebe im lingualen Unterkieferseitenzahngebiet) und der Nervus alveolaris inferior (in seinem knöchernen Kanal beziehungsweise vor sei- nem Eintritt ins Foramen ovale) betroffen. Die Prävalenz einer temporären Nervschädi- gung des Nervus lingualis und/oder des Nervus alveolaris inferior nach Osteotomie von retinierten Weisheitszähnen liegt – je nach Studie – zwischen 0,3 und 13 Prozent [Kushnerev E, Yates JM, 2015]. Permanente Schäden (> 3 bis 6 Monate) sind seltener – so wird derzeit davon ausgegangen, dass beispielsweise die Leitungsanästhesie des Nervus alveolaris inferior eine permanente Nervschädigung in 0,0001 bis 0,001 Pro- zent aller Fälle zur Folge hat [Hillerup S, 2007]. Beeinträchtigungen der Nervfunktion persis- tieren mit höherer Wahrscheinlichkeit, wenn es sich um schwere Nervschädigungen ge- handelt hat, wenn der Patient bereits älter ist, wenn ein längeres Zeitintervall zwischen dem Schaden und der Behandlung liegt sowie wenn der Schaden weiter proximal am Hauptnerv entsteht [Renton T, Yilmaz Z, 2012]. Ist ein Nervschaden aufgetreten, leiden die meisten Patienten oft trotz Anästhesie/Hypästhesie/Parästhesie im Ver- sorgungsbereich an zusätzlichen neuropa- thischen Schmerzen, Dysästhesien, Allody- nien und Hyperalgesien [Renton T, Yilmaz Z, 2012]. Daraus resultieren nicht selten Behandlung von iatrogenen Schäden von Ästen des Nervus trigeminus Abwarten, Medikamente oder chirurgische Therapie? Peer W. Kämmerer Iatrogene Verletzungen des Nervus trigeminus sind unangenehme Komplikationen im Rahmen eines zahnärztlichen Eingriffs. Entscheidend ist dann die frühzeitige Planung der weiteren Therapie. Im vorliegenden Beitrag werden die derzeitigen Therapieoptionen diskutiert. Foto: P. Kämmerer 82 Zahnmedizin

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