Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15

zm 108, Nr. 15-16, 16.8.2018, (1796) \ Medikation Für die initiale Behandlung von Hypästhesie und Parästhesie kommen – zum Beispiel bei Verdacht auf ein Hämatom in Nervnähe, das den Nerv temporär komprimiert – orale Kortikosteroide in den ersten zehn Tagen zum Einsatz [Moon S et al., 2012]. Bei Patienten mit neuralgischen Schmerzen kann die Anwendung von fünfprozentigem Lidocain-Pflastern in dem entsprechenden Bereich – allein oder in Kombination mit anderen Therapieformen – hilfreich sein [Renton T, Yilmaz Z, 2012]. Weiterhin hat sich bei posttraumatischer Neuropathie die systemische Anwendung von Antidepressiva (wie Amitriptylin) und Antikonvulsivsa (wie Carbamazepin, Gabapentin, Pregabalin) als erfolgversprechend gezeigt [Clark G, 2008; Heir G et al, 2008]. Allerdings haben die besagten Medikamente eine Reihe teils schwerwiegender Nebenwirkungen, die ihren Dauereinsatz stark limitieren. \ Operation Kompressionen des Nervkanals, beispiels- weise nach Weisheitszahnentfernung, durch zahnärztliche Implantate oder auch durch eine endodontische Behandlung stellen iatrogene Nervverletzungen dar, die inner- halb der ersten 24 bis 30 Stunden behoben werden sollten [Renton T, Yilmaz Z, 2012]. Ansonsten ist die Zeit bis zur chirurgischen Therapie ein kontrovers diskutiertes Thema mit unterschiedlichen Ergebnissen. Bei län- gerer Dauer ebenso wie bei Schädigungen durch die Applikation von Lokalanästhesie oder durch traumatische Kausa, ist die vor- erst konservative Behandlung mit einer potenziell folgenden chirurgischen Therapie das Mittel der Wahl. Eine Übersicht der vor- geschlagenen Therapiemodalitäten findet sich in der Tabelle. Von manchen Autoren wird ein explorativer chirurgischer Eingriff nach drei bis sechs Monaten ohne Verbesserung der Nervfunk- tion empfohlen [Renton T, Yilmaz Z, 2012; Susarla SM et al., 2007; Ziccardi VB et al., 2009], während andere erst nach mehr als neun Monaten [Bagheri SC et al., 2010] oder mehr als einem Jahr [Mozsary PG, Middleton RA, 1984] über ein signifikant höheres Risiko einer ausbleibenden Rekon- stitution berichteten. Leider gibt es keine Möglichkeit, Nerven nach außen wirksam darzustellen; daher ist eine explorative Operation erforderlich, und die Behandlungsentscheidung muss getroffen werden, während sich der Patient auf dem Operationstisch befindet [Kushnerev E, Yates JM, 2015]. Es gibt eine Reihe von Methoden, um Nervschäden zu reparieren. So kann je nach Bedarf gewählt werden zwischen externer Dekompression des N. alveolaris inferior (Abbildung 3) [Bagheri SC et al., 2012] , direkten Nerv- nähten [Cornelius CP et al., 1997] und der Rekonstruktion mit autologen Transplan- taten (Nerven (N. suralis / N. aurikularis magnus) oder Venen) [Cornelius CP et al., 1997; Pogrel MA, Maghen A, 2001]. Weitere Möglichkeiten bestehen in der Anwendung von allogenen Manschetten um den be- schädigten Nerv sowie in der großflächigen Freilegung, Mobilisation (Abbildung 4) und Readaptation der Nerven. Vorgeschlagenes Vorgehen bei Nervbeeinträchtigungen Mechanismus bekannter oder vermuteter Nervabriss belassene/verlagerte Zahnwurzeln Implantat Implantat Endodontie Endodontie Weisheitszahnentfernung N. alveolaris inferior Weisheitszahnentfernung N. lingualis Weisheitszahnentfernung N. alveolaris inferior Weisheitszahnentfernung N. lingualis andere Gründe (Lokalanästhesie, Fraktur, Operation) Quelle: modifiziert nach Renton T et al., 2012 Dauer < 30 h < 30 h > 30 h < 30 h > 30 h < 3 Monate < 3 Monate > 6 Monate > 6 Monate Behandlung sofortige Exploration/Reparatur sofortige Exploration/Reparatur Rückdrehen/Entfernen Implantat konservative Behandlung Entfernung Zahn/Überfüllung konservative Behandlung Exploration Exploration konservative Behandlung konservative Behandlung konservative Behandlung Abbildung 3: Chirurgische externe Dekompression des knöchernen Kanals des Nervus alveolaris inferior Foto: aus Kämmerer et al., 2015 84 Zahnmedizin

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