Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 108, Nr. 17, 1.9.2018, (1850) EU-Quecksilber-Verordnung – Sind die neuen Regelungen gut oder schlecht? Zum Beitrag „EU-Quecksilber-Verordnung: Die neuen Regelungen zu Amalgam“, zm 13/2018, S. 24–25. Das mediale Echo war eindrucks- voll: Selten werden neue Regelun- gen im zahnärztlichen Gebühren- ordnungsdschungel so medien- wirksam verbreitet wie zur er- weiterten Gebührennummer 13. Spiegel-Online und Bild schrieben mit dem Kontext „Die Kranken- kassen zahlen nun Kunststofffüllun- gen für Schwangere, Stillende und Kinder unter 15“. Aus Patienten- sicht liest es sich wunderbar und einige Tage auch aus (Kinder)- Zahnarztsicht, da nun viele kleine Patienten die Vorteile von adhäsiv befestigten Füllungen nutzen könnten. Als dann die genauen Informatio- nen ein bis zwei Werktage(!) vor Eintreten der Bestimmungen zu uns kassenzahnärztlich tätigen Zahnärzten durchsickerten, wurden Fragezeichen offenbar: 1) Wie weist eine Schwangere oder Stillende ihren Zustand nach? Muss sie nicht bzw. kann das den KZVen nicht auferlegt werden zu kontrol- lieren. 2) Nur bei persistierenden Milchzähnen ist die Abrechnung statthaft, bei allen anderen Milch- zähnen nur nach strenger Indika- tionsstellung bzw. strikter Beach- tung des Wirtschaftlichkeitsgebots. 3) Die Krankenkassen gehen davon aus, dass die neuen Positionen nicht mehr als 1% der Füllungen ausmachen werden. Ob Punkt 1 und 3 in Kombination funktionie- ren werden, bleibt fraglich, da in der Praxis wohl nun bestimmte Patientenklientele auf die Idee kommen könnten, direkt beim Zahnarztbesuch schwanger oder in der Stillzeit zu sein. Nachweisen kann bzw. müssen sie das gar nicht erst. Die 1%-Hürde dürfte allein durch diese Tatsache vermutlich schon übersprungen werden. Aus kinderzahnärztlicher Sicht ist freilich Punkt 2 in Kom- bination mit den aktualisierten BEMA-Bestimmungen zur Gebüh- rennummer 13 ein heißes Eisen. Dort heißt es: „Eine Zuzahlung durch den Versicherten ist nicht zulässig.“ Grundsätzlich nachvoll- ziehbar, doch muss nun nach Be- gründung des G-BA „der behan- delnde Zahnarzt bezogen auf den jeweiligen Einzelfall prüfen, ob eine Kompositfüllung erfolgen kann“ oder eben nicht. Ein Milch- zahn von 100 kann also in den Genuss einer zuzahlungsfreien Kompositfüllung kommen, was wohl als ausgabenorientierte Indikationsstellung zu verstehen ist. Wann also ist die Indikation für eine Kompositfüllung bei einem Milchzahn zu stellen? Eine Kom- positfüllung macht in meinen Augen Sinn bei einer MIH (v. a. Milch 5er, Kinder zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr), die sich auszeichnet durch oft- mals atypische Defekte und da- raus resultierenden Kavitäten- gestaltungen, die eine Versorgung mit lichthärtendem GIZ oder an- deren „zugelassenen Materialien“ nicht möglich macht. Zur Statistik: Hier wurde die Inzidenz zuletzt mit annähernd 30% beschrieben. Nun muss der (Kinder-)Zahnarzt entscheiden: „Verwehre“ ich dem Kind eine möglicherweise doch indizierte zuzahlungsfreie Kunststofffüllung und handele mir bei Berechnung über eine MKV Ärger mit den Eltern, deren Zusatzversicherung oder gar der KZV ein? Oder rechne ich die Füllung über 13e/f/g/h ab, aber lande dann am Ende in der Wirtschaftlichkeitsprüfung der KZV, da ich zwangsweise über der 1%-Grenze landen werde? In dieser Konstellation kann der (Kinder-)Zahnarzt nur verlieren, was final wohl dazu führen wird, dass zahlreiche Kollegen und Kolleginnen adhäsiv befestigte Kunststofffüllungen legen wer- den, aber unter Berechnung der traditionellen Positionen 13a/b/c/d. Insofern hat Herr Dr. Eßer, rezitiert durch Spiegel- Online und Co, die Wahrheit gesprochen: Kunststofffüllungen sind in Zukunft für den Patienten zuzahlungsfrei. Die Schlagzeilen in zwei Jahren sind auch schon gesichert: „Zahnärzte übertreiben es mit Abrechnung der neuen, viel profitableren Positionen und werden abgestraft.“ Eine Ergän- zung der getroffenen Regelung ist zwingend erforderlich, denn Sie geht an den Anforderungen und Therapienotwendigkeiten in der Kinderzahnmedizin im Jahre 2018 leider vorbei. Dr. Tobias Tetzlaff, Hannover 10 Leserforum Foto: [M] proDente e.V. - zm-mg

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