Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17
zm 108, Nr. 17, 1.9.2018, (1854) MVZ-Debatte Ist das Fremdkapitalverbot der Freien Berufe in Gefahr? Benn Roolf Lange Zeit hat die deutsche Politik das Fremdkapitalverbot als gesetzlich fixierten Grundpfeiler der Berufsausübung der Freien Berufe engagiert und zäh gegen Deregulierungsbestrebungen in der EU verteidigt. Es wäre ein Paradigmenwechsel, wenn man nun auf nationaler Ebene und ausgerechnet im Bereich des Gesundheitswesens, in dem es um hochsensible, besonders schützenswerte Güter geht, Einfallstore für seine allmähliche Abschaffung zulassen würde. Wer die Diskussion um die Stärkung der Pflege verfolgt, kann das ge- spaltene Verhältnis der Politik zu privaten Investitionen im Gesund- heitswesen begutachten. Das Geld der privaten Kapitalgeber ist hochwillkommen, wenn es darum geht, in neue Infrastrukturen, moderne Gerätschaften, Technologien zu investieren. Neue Pflege- einrichtungen, Digitalisierung, technischer Fortschritt in der Versor- gung einer wachsenden Zahl von Pflegebedürftigen – das könne ohne das Engagement der Privaten gar nicht geleistet werden. Obendrein lasse sich der Wettbewerb um die wirtschaftlichste und beste Dienstleistung ankurbeln – heißt es unisono im Bundesgesund- heitsministerium. Die politische Stimmung kann jedoch schnell um- schlagen, wenn das Geld geflossen ist und die Investitionen getätigt sind. Dann nämlich, wenn die Kapitalgeber einen Gegenwert für ihre Investition sehen wollen, gibt man sich vom Renditebegehren plötzlich ganz überrascht. Aktuell macht sich der Bundesgesundheitsminister in einem Gast- beitrag für das Handelsblatt Gedanken darüber, „ob ein kapital- marktgetriebenes Fokussieren auf zweistellige (!) Renditeerwartungen angemessen wäre“ und findet, dass das „eher nicht“ der Fall sei. Jens Spahn stellt fest, dass bei den Pflegeanbietern „hohe Gewinne“ auflaufen und mutmaßt, dass diese „fast nur durch vorsätzliches Absenken der Versorgungsqualität zustande kommen können“. Wie auch immer die Renditen entstanden sein mögen: Es verwundert zunächst einmal schon, dass es überhaupt zu hohen Gewinnen und schlechter Qualität kommen konnte. Eigentlich sollte das ja der Wettbewerb richten: Mit dem Investorenkapital sollte alles billiger und besser werden. Das Ergebnis allerdings sieht an- scheinend vollkommen anders aus. Der Wettbewerb hat – unter den spezifischen Bedingungen des Gesundheitswesens – wieder einmal nicht funktioniert. Es ist beileibe nicht die erste Erfahrung dieser Art, was aber das BMG in seinem Glauben an die heilsame Wirkung des (vornehmlich wirt- schaftlich verstandenen) Wettbewerbs nicht erschüttern kann. Die drohende Gefahr des rein renditeorientierten Hineinströmens von Investorenkapital aus Private-Equity-Gesellschaften in zahnärztliche MVZ-Strukturen und Praxisketten scheint hier förmlich abzuperlen. Man zeigt sich sehr zugeknöpft, wenn Kassenzahnärztliche Bundes- vereinigung (KZBV) und Bundeszahnärztekammer (BZÄK) bei der Ausgestaltung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) darauf dringen, weitergehende Einschränkungen bei den Gründungs- möglichkeiten von MVZ vorzunehmen. Nun könnte man einwenden, die Situation in der Pflege sei ganz und gar nicht mit der in der Zahnmedizin vergleichbar. Das ist zweifellos richtig. In der Pflege gab es in den vergangenen Dekaden die Herausforderung, möglichst schnell die Kapazitäten für Dienstleis- tungen auszuweiten – es musste im Eiltempo eine komplette Infra- struktur aus dem Boden gestampft werden. Das wäre ohne privates Kapital so sicher nicht zu schaffen gewesen. In der Zahnmedizin gibt es jedoch keine solchen Herausforderungen. Es ist weit und breit kein Bedarf an Fremdkapital zu sehen: kein Investitionsstau, kein Bedarf an schnellen Kapazitätsausweitungen, keine technologischen Um- brüche, die große Investitionen erfordern würden. Die Zahnmedizin funktioniert – auch aus der politischen Optik – hervorragend: unter- durchschnittliche Kostenentwicklungen in der GKV, gute und flächen- deckende Versorgung, sinnvolle Weiterentwicklungen wie die ver- besserte Betreuung von Pflegebedürftigen und die Bekämpfung frühkindlicher Karies. Nie war Deutschland so mundgesund wie heute. Warum nur – das ist die Frage an die Politik – überlässt man sehenden Auges ein in sich stimmig funktionierendes Versorgungs- system dem – um den Minister zu zitieren – „kapitalmarktgetriebenen Fokussieren“ auf Rendite? Welches Problem soll damit gelöst werden? Die Antwort darauf bleibt uns die Politik schuldig. Auf die Konsequenzen einer Politik des Laufenlassens in Sachen MVZ und der Fremdkapitalbeteiligung machen die Vertreter der zahnärzt- lichen Standesorganisationen unermüdlich aufmerksam. In einer gemeinsamen Stellungsnahme haben KZBV und BZÄK die im TSVG-Referentenentwurf enthaltenen Regelungen als unzureichend bezeichnet. In der Anhörung zum TSVG am 22. August forderten sie, die rasant fortschreitende Übernahme zahnärztlicher Versorgung durch Großinvestoren und Private-Equity-Fonds zu stoppen. Dass diese Warnungen kein falscher Alarmismus sind zeigt auch ein Blick in die gesetzlichen Grundlagen der Berufsausübung der Freien Berufe. Dort finden sich zuhauf Regelungen, die eine Fremdkapital- beteiligung verhindern sollen. So regeln die Paragrafen 59e/f der Bundesrechtsanwaltsordnung detailliert, wer Gesellschafter und Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft sein darf. „Anteile an der Rechtsanwaltsgesellschaft dürfen nicht für Rechnung Dritter gehalten und Dritte nicht am Gewinn der Rechtsanwaltsgesellschaft zm-Redakteur Benn Roolf Foto: zm-mg 14 Politik
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