Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 108, Nr. 17, 1.9.2018, (1980) Principal und dem Leistungserbringer als seinem Agent. Die Situation zwischen dem Patienten und seinen Heilberuflern ist im Un- terschied zu anonymen Spotmarktsituationen grundsätzlich außergewöhnlich. Produktbesonderheiten : Über die Produkte und Dienstleistungen, die im Krankheitsfall zur Verfügung stehen, herrschen zwischen den Anbietern auf der Leistungserbringerseite und den Nachfragern auf der Patientenseite asymmetrische Informationen. Seien es die diagnostischen Möglichkeiten oder die the- rapeutischen Konzepte – es handelt sich um hochspezifische Nicht-Laien-Produkte, zu denen der Patient anders als bei Produkten und Dienstleistungen des alltäglichen Ge- brauchs keine Informationen hat, um mit dem Anbieter auf Augenhöhe interagieren zu können. Versicherungsbesonderheiten : Alle ent- wickelten Staaten überlassen die Gesund- heitsversorgung nicht einfach den Bürgern selbst, sondern schaffen mehr oder weniger komplexe Versicherungssysteme. Damit wird aber aus dem simplen Zwei-Personen-Spiel des vollständigen Marktes ein komplexes Multi-Personen-Spiel – neben dem Patienten und dem Leistungserbringer ist die Versiche- rung nun dritter Akteur. Ein Beispiel: Derje- nige, der das Arzneimittel für den Patienten auswählt, bekommt es nicht und er bezahlt es auch nicht. Derjenige, der das Arzneimittel bezahlt, hat es nicht ausgewählt und be- kommt es auch nicht. Und derjenige schließlich, der das Arzneimittel bekommt, hat es weder ausgewählt, noch bezahlt. In Gesundheitssystemen auf Versicherungs- basis sind wechselnde Koalitionen zwischen den drei Akteuren möglich und normal. Unfreiwillig im Einsatz Staates Zusammengenommen veranlassen diese drei Spezifika jeder modernen Gesundheits- versorgung alle entwickelten Staaten zu branchenspezifischen Regulationen. Wenig überraschend, dass das Ausgestaltungs- spektrum dabei enorm ist. Zu diesen Spezifi- ka kommen weitere, allgemeinere entwick- lungshistorische, kulturelle Momente der jeweiligen Gesellschaft. So ist vom hippo- kratischen Eid über das Edikt des Stauferkai- sers Friedrich II. zur beruflichen Trennung von Arzt und Apotheker bis hin zur heutigen Form der Verkammerung der Heilberufe die Freiberuflichkeit ein prägendes Element des deutschen Gesundheitswesens. Sei es der niedergelassene Arzt, sei es der niedergelas- sene Apotheker – die ethische Verpflich- tung, den Beruf zum Wohl des Patienten auszuüben, hat einen besonderen, in der Gesellschaft über Jahrhunderte verankerten Stellenwert. Begonnen im Mittelalter, aufgegriffen von Bismarck und verstärkt in der Weimarer Republik hat sich der Korporatismus als ein zweites prägendes Element des deutschen Gesundheitswesens etabliert. Mit der Ver- bändestruktur ist die Nachfrager- und An- bieterseite (wie GKV-Spitzenverband, Bun- desärztekammer, Kassenärztliche Bundes- vereinigung, Deutsche Krankenhausgesell- schaft, ABDA und Deutscher Apothekerver- band) klar strukturiert. Spätestens seit den Kostendämpfungsgesetzen ab Mitte der 1970er-Jahre hat der Gesetzgeber diese Struktur für seine Gesundheitspolitik ge- nutzt, indem er die Verbände der Anbieter- und Nachfragerseite zu „beliehenen Unter- nehmern“ machte – ihnen also spezifische gesetzliche Aufträge erteilte, die sie wiederum auf ihre Mitgliedschaft herunterzubrechen haben: beispielsweise bi- oder trilaterale Rahmen- und Detailverträge abzuschließen, bestimmte Einsparziele zu erreichen, ja sogar neue hybride Anbieter-Leistungserbringer- Institutionen wie den Gemeinsamen Bundes- ausschuss (G-BA) oder die gematik zu gründen. Und für den Fall, dass die Verbände die Um- setzung der ihnen auferlegten Aufträge nicht hinbekommen, ist ein mittlerweile weitge- hend durchreguliertes Schiedsstellenwesen bis hin zur ministeriellen Ersatzvornahme etabliert worden, so dass im Ernstfall anstelle der Verbände eine Entscheidung und Um- setzung stattfinden kann. Für den einzelnen Arzt in seiner Praxis oder den Apotheker in seiner Apotheke findet damit die heilberufliche Tätigkeit in einem besonderen ordnungspolitischen Setting statt, dem er sich – wenn er seinen Beruf in Deutschland ausüben will – nicht entziehen kann. Er ist aber nichtsdestoweniger auch Unternehmer und damit zugleich auch noch in einem weiteren Setting, in dem betriebswirtschaftliche Fakten eine hohe Relevanz haben. Das Thema ist heikel Die Frage, die sich stellt: Dürfen Heilberufler, die in ganz besonderer Weise dem Patienten- wohl verpflichtet sind, in einem hochregu- lierten Gesundheitssystem mit ihren Arzt- praxen und Apotheken Gewinne machen? Sind Gewinne bei Heilberuflern unanständig? Sind die Heilberufler in ihrer Unternehmer- schaft unausgesprochen dem Altruismus verpflichtet? Selbst die Berufsorganisationen der freien Heilberufe tun sich angesichts des medialen Umfelds, in dem die Diskussion stattfindet, schwer damit, offen zu fordern, dass ihre Mitglieder so vergütet werden, dass ihre Betriebe mit betriebswirtschaft- lichem Gewinn arbeiten. Das Thema ist heikel. Wenn es um EBM oder BEMA, GOÄ oder GOZ oder die AMPreisV geht, wird allenthalben das Kostenerstattungs- prinzip proklamiert. Beispielsweise interpre- tiert Iris an der Heiden von 2hm& Associates, die für das Bundeswirtschaftsministerium ein Gutachten zur Anpassung der Apotheker- honorierung erstellt hat, die Rechtslage des § 78 AMG so, dass 2004 in der AMPreisV die Apothekervergütung ausschließlich auf Kos- tenerstattungsbasis hätte festgesetzt werden dürfen. Der Wortlaut des § 78 AMG besagt jedoch, dass lediglich die Anpassung der Apothekervergütung „entsprechend der Kostentwicklung der Apotheken bei wirt- schaftlicher Betriebsführung“ zu erfolgen habe – die initiale Festlegung durch das Ministerium war überhaupt nicht auf das Kostenerstattungsprinzip beschränkt. Die Verfechter des Kostendeckungsprinzips bei der Vergütung der freien Heilberufe tun sich sogar schon schwer, alle betriebswirt- schaftlich relevanten Kosten zu berücksichti- gen und beschränken sich oft auf die steuer- lich abzugsfähigen Kosten. Gerne werden auch nur die Tarifgehälter und nicht die marktbedingt notwendigen, höheren Effektiv- gehälter berücksichtigt. Iris an der Heiden von 140 zm–starter

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