Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 108, Nr. 17, 1.9.2018, (1858) Berufsstand macht. Wer engagiert sich in Ihrem Land gegen solche (Fehl-) Entwicklungen? Die niederländischen Zahnärzte sind in (zahnärztlichen) Berufsverbänden organisiert. Es gibt zwei derartige Verbände und ich bin Vorsitzender von einem der beiden. Diese Verbände übernehmen einige Aufgaben, die ihnen von der niederländischen Regie- rung übertragen wurden; dazu gehört zum Beispiel die Einrichtung eines Beschwerde- ausschusses für Patienten. Die zahnärztlichen Organisationen werden oft zur geplanten Regierungspolitik befragt, sie haben aber keine Handhabe, tatsächlich zu intervenieren. Das führt zu vielen Rechts- streitigkeiten zwischen der Regierung und den zahnärztlichen Berufsverbänden; in jüngster Zeit war das Abrechnungssystem Gegenstand zahlreicher Gerichtsverfahren. Der niederländische Gesundheitsminister hat die Einführung eines detaillierten Katalogs zahnärztlicher Dienstleis- tungen angekündigt, um die prakti- zierenden Zahnärzte von einem Teil der Aufgaben zu entlasten, die mit den komplexen Verantwortlichkeiten einhergehen. Wie stehen Sie dazu? Es passieren merkwürdige Dinge, wenn politische Entscheidungsträger die Zahnärzte von etwas „befreien“ wollen, was diese selbst gar nicht als Belastung betrachten. Gibt es Betroffene, die auf diese Initiative reagieren? Was wird getan oder was sollte getan werden? Die zahnärztlichen Berufsverbände tun alles in ihrer Macht stehende, um diese Initiative zu stoppen. Die Instrumente, die wir ein- setzen, reichen von Zeitungsartikeln über Pressemeldungen, die unsere Meinung zum Ausdruck bringen und vor den Problemen warnen, die dadurch auftreten könnten. Wir informieren die Öffentlichkeit auch darüber, dass zu wenige Studenten zum Zahnmedizinstudium an den Universitäten zugelassen werden und dass der Weg, der im Hinblick auf den Berufstand des Dental- hygienikers beschritten wird, nicht der rich- tige ist, um dem Zahnärztemangel zu be- gegnen. Als letzter Ausweg haben die Zahn- ? ? ärzte beschlossen, in einen Streik zu treten und Dentalhygienikerinnen während der vorgeschriebenen Praktika nicht mehr bei- zubringen, wie man Zähne präpariert und Füllungen legt. Über diesen „Streik“ wurde in nationalen Zeitungen und Radiosendern ausführlich berichtet. Was erwarten Sie in dieser speziellen Hinsicht von der Europäischen Union? Da unser Berufsstand unter die Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifika- tionen fällt und die freie Berufsausübung des Zahnarztes innerhalb von Europa einen Mindeststandard im Hinblick auf die Aus- bildung bedingt, sollte sich die EU unseres Erachtens einschalten, wenn ein Land Maß- nahmen ergreift, die in dieser Hinsicht be- trächtliche Auswirkungen haben werden. Der Versuch, einem anderen Berufsstand zu erlauben, einen Großteil der ursprünglichen Aufgaben des Zahnarztes auszuführen, sollte aus europäischer Perspektive betrachtet werden. Haben Sie Kontakt zum Council of European Dentists, der Dachorgani- sation aller zahnärztlichen Verbände der EU-Mitgliedstaaten? Ja, wir stehen in Kontakt mit dem CED. Im März hat der CED unserem Gesundheits- minister eine sehr kritische Stellungnahme geschickt, in deren Fokus die Rolle des Zahnarztes als Leiter des zahnärztlichen Teams stand und in der betont wurde, dass Dentalhygienikerinnen nicht die erforderliche Ausbildung besitzen, um Röntgenaufnahmen auszuwerten und alle Unregelmäßigkeiten und Erkrankungen zu diagnostizieren, die unter Umständen darauf zu erkennen sind. ? ? Was wird Ihrer Meinung nach – im Hinblick auf die Patienten und den Beruf des Zahnarztes – auf lange Sicht geschehen, wenn die Initiative der niederländischen Regierung an Triebkraft gewinnt und sich möglicher- weise auf andere Länder ausweitet? Die Regierungspolitik wirkt sich nachteilig auf die Zukunft der Zahnmedizin aus. Viele Entscheidungen werden ohne die Zustim- mung der eigentlichen Experten getroffen: der Zahnärzte. Die eigentliche Motivation, die dieser Politik zugrunde liegt, scheinen Kosteneinsparungen zu sein – Bildungskosten durch eine Verrin- gerung der Zahnärzte oder Behandlungs- kosten durch wiederholte Gebührensenkun- gen –, indem anderen Mitgliedern des zahnärztlichen Teams oder sogar unabhän- gigen Dentalhygienikerinnen zahnärztliche Aufgaben übertragen und sie zu einer Art „Bachelor-Zahnarzt“ gemacht werden. Wir gehen davon aus, dass die Kosten da- durch eher steigen werden als zu sinken, während gleichzeitig die Qualität schlechter werden wird. Dentalhygienikerinnen sollten für die Prophy- laxe zuständig sein, nicht für die gesamten zahnärztlichen Behandlungen. Sie sollten die Entwicklung von Karies verhindern, statt den Bohrer einzusetzen, um Füllungen zu legen. Außerdem kann ein zahnärztliches Team mit einem akademisch ausgebildeten Zahnarzt als Leiter und Koordinator viel effi- zienter und sicherer agieren als einzelne zahnärztliche Fachkräfte mit weniger Erfah- rung und untergeordneter Ausbildung. Vielen Dank für dieses aufschlussreiche Interview! Nachdruck aus BDIZ EDI konkret 2/2018 Das Interview führte Anita Wuttke, München. ? ? 1998 Zahnmedizinischer Abschluss in Amsterdam 2004 Registrierter Implantologe (NVOI) 2005 Assoziiertes Mitglied der American Association of Implant Dentistry (AAID) 2013 Vorsitzender des Verbands nieder- ländischer Zahnärzte (Associatie Neder- landse Tandartsen, ANT) Jan Willem Vaartjes Kurz-CV Dr. Auch Dr. Henk Donker, KNMT-Vizepräsident lehnt die Pläne seiner Regierung ab. „Wir rechnen mit mehr Kosten“ ZM - ONLINE 18 Politik

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