Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 108, Nr. 17, 1.9.2018, (1866) dem Gemeinwohl dienenden Interessen vereinen will. Die Zwangslistung von Ärzten dient allein dazu, möglichst viele Ärzte dazu zu veranlassen, sich von dem nichtssagenden „Basisprofil“ durch den Erwerb von „Premium- Paken“ freizukaufen. Je mehr Ärzte und Zahnärzte sich dazu veranlasst sehen, umso größer wird der Druck auf die verbleibenden Mediziner, ihrerseits die offerierten Verbes- serungsleistungen in Anspruch zu nehmen, um nicht als negativer Anker zur Bewerbung der Konkurrenz herhalten zu müssen. Die Kosten für ein solches Premium-Paket belas- ten zusätzlich das Marketingbudget einer Praxis, für die aufgrund der Erwartungshal- tung des Publikums in der Regel eine eigene – ansprechende – Homepage vorgehalten wird. Umso ärgerlicher ist es dann übrigens für Nicht-Zahler, wenn deren jameda-Profile in den Suchmaschinen noch vor der eigenen Homepage aufgeführt werden, was nicht selten der Fall ist. Auch die DSGVO stärkt die Mediziner In datenschutzrechtlicher Hinsicht ist auch zu berücksichtigen, dass mit der Online-Ver- wertung von Daten ein erhöhtes Gefahren- potenzial verbunden ist und eine erhöhte Missbrauchsgefahr besteht. Durch die dauer- hafte, weltweite Abrufbarkeit der Daten unterscheidet sich diese Form der Nutzung von der in der Offline-Welt. Die Informatio- nen, die über die Ärzte verbreitet werden, verlieren im Prinzip nie an Aktualität. Wäh- rend ein online veröffentlichter Presseartikel irgendwann aufgrund abnehmender aktu- eller Relevanz in der Wahrnehmung (und in Suchmaschinenergebnissen) nach hinten „rutscht“, bleiben die Bewertungen eines Arztes bei jameda permanent abrufbar. Eine ältere Bewertung dürfte auch für die Ent- scheidung eines Nutzers über die Arztaus- wahl nicht weniger relevant sein als jüngere Bewertungen, zumal es in der Regel um persönliche Einschätzungen der Person und nicht etwa um aktuelle Ereignisse geht. Die „Basis“-Profile werden von jameda nur mit Namen, Fachrichtung, Anschrift und Telefonnummer des Arztes befüllt. Statt eines hübschen Profil-Bildes erscheint bei einem Nicht-Zahler an der entsprechenden Stelle nur ein Schattenriss mit dem scheinheiligen Hinweis „Dieser Arzt hat leider noch kein Portrait hinterlegt“. Dass dies nur kosten- pflichtig möglich wäre, wird tunlichst ver- schwiegen. Also entsteht bei dem Nutzer der Eindruck, der Arzt habe einfach kein Interesse an einer aussagekräftigen Darstel- lung seiner Person und seiner Leistungen. Wer würde da nicht auf eine ansprechende Seite eines „Premium“-Kunden wechseln? Kein Profil, kein Interesse? So wie bei dem Profilbild geht es weiter: Zahlende Kunden können die Adresse ihrer Praxiswebseite angeben und darauf verlinken, sie können Angaben zu ihrem Lebenslauf, ihren Behandlungsschwerpunkten und dem Leistungsspektrum ihrer Praxis machen und Bilder von ihrer Praxis oder sogar Fachartikel hochladen. All diese Felder bleiben auf dem „Basis“-Profil – wohlgemerkt auch insoweit ohne Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit entsprechender Angaben – leer. Des Weiteren werden die „Basis“-Profile weiterhin als Werbefläche für zahlende Kunden verwendet. Dies erfolgt nach dem BGH-Urteil zwar nicht mehr ganz so offen- sichtlich, sondern wird verbrämt durch die Veröffentlichung angeblicher „Fachartikel“ von zahlenden Kunden, die auf dem „Basis“- Profil eingeblendet werden und dann – siehe da – mit dem Profil eines zahlenden Arztes verlinkt sind. Zahlenden Kunden werden außerdem verschiedene Dienstleistungen an- geboten, so zum Beispiel die Hervorhebung bei Suchanfragen oder die Veröffentlichung von „Fachbeträgen“ auf anderen Unterseiten des Portals. Darüber hinaus bietet jameda seinen Kunden Hilfestellungen bei der Selbstdarstellung an und eine direkte Hotline mit Ansprechpartner. Eine Höherbewertung des Interesses am Betrieb des Portals für den Betreiber und die Nutzer ist aber – wie Wolfgang Büscher in seinem Vortrag [Büscher, 2017] überzeugend dargelegt hat nicht mehr gerechtfertigt, wenn „die Daten des bewerteten Unternehmers nicht mehr allein zur Information der Nutzer verwendet werden, sondern auch dazu, ent- geltlich geschaltete Werbung dritter Unter- nehmer zu platzieren oder den Unternehmer in eine Rangliste mit Konkurrenten zu brin- gen, die entgeltliche Verträge mit dem Bewer- tungsportal über die Präsentation abgeschlos- sen haben“. Insofern ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Ärzte auch unter Be- rücksichtigung der berechtigten Interessen an der Abwehr von wirtschaftlichen Nach- teilen, die aufgrund der Veröffentlichung personenbezogener Daten zu besorgen ist, höher zu bewerten als das Interesse von jameda an der Nutzung der Daten in erster Linie zu wirtschaftlichen Zwecken. Nur wenn jameda den Weg zu einem „neutralen“ Portal finden würde, wird es sich künftigen Profillöschungsbegehren er- folgreich stellen und nebenbei auch dem erheblichen Glaubwürdigkeitsdefizit durch „gefakte“ und rechtswidrige Bewertungen etwas entgegensetzen können. Dieser Weg mag für einen kommerziellen Anbieter steinig sein, möglich erscheint ein entsprechendes Konzept nichtsdestotrotz. Ein Umdenken wäre aber in vielerlei Hinsicht erforderlich und würde jameda zwingen, sich des selbst postulierten Transparenzgedankens anzunehmen. Höcker Rechtsanwälte vertreten aktuell Ärzte, die sich aus den jameda-Listen löschen lassen wollen, in Klageverfahren gegen das Bewer- tungsportal. Literatur: 1. [BGH, 2018]: Urteil des BGH vom 20.2.2018, IV ZR 30/17, veröffentlicht u.a. in GRUR 2018, S. 636 ff. 2. [Büscher, 2017]: GRUR 2017, S. 433 Dr. Frauke Schmid-Petersen ist Rechtsanwäl- tin bei Höcker Rechtsanwälte in Köln und seit 1999 auf dem Gebiet des Medienrechts tätig. Foto: privat 26 Praxis

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