Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 108, Nr. 17, 1.9.2018, (1882) Im Mai dieses Jahres hatte die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kiefer- heilkunde (DGZMK) vor der besorgniserre- genden Zunahme von Molaren-Inzisiven- Hypomineralisationen (MIH) gewarnt. Bei der Suche nach möglichen Ursachen geriet das in Kunststoffen verwendete Bisphenol A in den Fokus. Nun äußert sich das Bundes- institut für Risikobewertung (BfR) zu dem Thema. Die Forscher hatten trächtigen und laktie- renden Ratten-Muttertieren und den ent- wöhnten Nachkommen eine Dosis von 5 Mikrogramm BPA pro kg Körpergewicht verabreicht. Daraufhin wurden bei 12 von 16 BPA-exponierten Ratten weißliche Ver- färbungen an den Schneidezähnen beob- achtet. Bei sechs Tieren dieser Gruppe war die gesamte Zahnoberfläche betroffen, bei drei Tieren war der Zahnschmelz zerstört. In der Kontrollgruppe dagegen waren alle Tiere ohne Befund. Die betroffenen Zähne von acht Ratten wur- den chemisch und optisch untersucht und mit menschlichen MIH-geschädigten Zähnen verglichen, wobei die Forscher eine weit- gehende Ähnlichkeit der Krankheitsbilder bei Menschen und Ratten feststellten. Neben einigen Stärken der Studie von Jedeon et al. (unter anderem die phyto- östrogen-freie Diät der Tiere, BPA-freie Käfige und Trinkflaschen) sieht das BfR jedoch auch Schwächen im Studiendesign. So wurde die Untersuchung zunächst ausschließlich an männlichen Tieren durchgeführt – in nach- folgenden Arbeiten der Arbeitsgruppe zeigte sich, dass die Effekte der Mineralisations- störungen bei weiblichen Tieren signifikant schwächer ausgeprägt waren [Jedeon et al., 2014]. Gründe dafür sehen die Forscher in unterschiedlichen Testosteron-Spiegeln und in der Wirkung von Testosteron auf die Mi- neralisierung der Zähne [Houari et al., 2016; Jedeon et al., 2016b]. Zu den Unsicherheiten der Studie zählt auch, dass die bei Ratten nach dem 30. Lebenstag gesehenen Mine- ralisationsstörungen nach dem 100. Lebens- tag nicht mehr vorhanden waren. Zu die- sem Zeitpunkt war kein Unterschied mehr zur Kontrollgruppe festzustellen. Die Autoren begründen das Auftreten von Effekten am Tag 30 nach der Geburt mit einer deutlich schwächer ausgeprägten Fä- higkeit embryonaler und neonataler Ratten zur Phase-II-Metabolisierung (und anschlie- ßender Ausscheidung) von BPA im Vergleich zu adulten Tieren. Dies führe im Zeitfenster um die Geburt herum zu deutlich höheren Bundesinstitut für Risikobewertung Zusammenhang zwischen MIH und Bisphenol-A-Aufnahme unwahrscheinlich Ein „Zusammenhang zwischen ‚Kreidezähnen‘ bei Kindern (Molar-Incisor- Hypomineralisation, MIH) und der Aufnahme von Bisphenol A ist nach der- zeitigem Stand des Wissens unwahrscheinlich“. Zu dieser Schlussfolgerung kommt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nach der Bewertung der Studienlage. „So werden bei beiden eine Abnahme des Calcium/Phosphor- und vor allem des Calcium/Kohlenstoff-Verhältnisses sowie typische Veränderungen der Zahnober- fläche im Vergleich zu nicht betroffenen Zähnen beobachtet. Die molekularbiologischen Untersuchun- gen zeigten nach 30 Tagen in der behan- delten Gruppe einen erhöhten Protein- gehalt des Schmelzproteins Enamelin (beteiligt an Strukturierung und Minerali- sierung des Zahnschmelzes) und des exogenen Albumins. Mittels quantitativer Polymerase-Kettenreaktion (qPCR) wurde zudem eine höhere Konzentration an Enamelin codierender messenger RNA (mRNA) sowie eine niedrigere Konzentra- tion an mRNA, die die Kallikrein-related peptidase 4 (klk-4) codiert, nachgewiesen. KLK4 ist in die Entfernung von Schmelz- proteinen (z. B. Enamelin) in der Reifungs- phase des Zahnschmelzes (Härtungs- phase) involviert. Dieses Ergebnis konnte in vitro in HAT-7-Ameloblasten der Ratte reproduziert werden. Zudem konnte eine höhere Promotoraktivität für Enamelin bzw. eine niedrigere Promotoraktivität für klk-4 nachgewiesen werden.“ Auszug aus der Studie von Jedeon et al. von 2013 Nach wie vor ist unklar, wodurch eine MIH entsteht. Als eine mögliche Ursache werden Umwelt- toxine (wie Bisphenol A) diskutiert – hierzu hat das BfR nun neue Erkenntnisse präsentiert. Foto: Norbert Krämer 42 Zahnmedizin

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