Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 108, Nr. 17, 1.9.2018, (1884) Auf Nachfrage berichtete die Patientin von einer für sie wahrnehmbaren Größenpro- gredienz der oben genannten Hautverände- rung seit zwei Monaten. Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich der beschriebene Befund als schmerzlose 2,1 x 0,8 cmmessen- de, prall elastische Gewebeproliferation im Bereich der äußeren Wange (Abbildungen 1a und 1b), die die Patientin selbst als ästhe- tisch störend empfand. Aus ihrer Kranken- anamnese ergab sich neben einer ausgeprägt kardialen Beeinträchtigung (Aortenstenose II°, permanentes Vorhofflimmern und NYHA Klas- se III) kein Hinweis für das Vorliegen dermaler Tumoren. Zur histopathologischen Dignitätsklärung der hochgradig Malignom-verdächtigen Gewebeveränderung erfolgte die diagnosti- sche Befundexzision mit Sicherheitsabstand sowie temporärer Deckung mittels Kunst- haut und Überknüpfverband noch in dersel- ben Woche (Abbildungen 2a und 2b). Der Befund zeigte ein R0-reseziertes Merkel- zellkarzinom mit multiplen Lymphgefäßein- brüchen, wobei die tumorfreien Sicherheits- abstände mit 4mm in horizontaler und 1 mm in basaler Richtung entsprechend der aktuell gültigen S2k-Leitlinie als unzureichend ge- wertet werden mussten (Abbildung 3). Die beimMerkelzellkarzinom immunhistologisch etablierten Marker CK20 und Synaptophysin waren positiv, der Ki-67-Proliferationsindex lag bei 50 Prozent. Zum Ausschluss einer stattgehabten Lymphknoten- und Fernme- tastasierung erfolgte anschließend das weitere Staging mithilfe der sonografischen Halslymphknotenuntersuchung und der Kontrastmittelgestützten CT-Schnittbildge- bung der Kopf-Hals-Region sowie von Thorax und Abdomen. Bei klinisch-radiologischer cN0-Situation wurden entsprechend des in- terdisziplinären Tumorboard-Entscheids die Sentinel-Lymphknotenbiopsie mit Nachex- zision des ehemaligen Tumorbetts sowie die plastische Defektdeckung mittels Vollhaut- transplantation durchgeführt (Abbildungen 4a bis d). Bei histopathologisch nachgewie- sener Lymphknotenmetastasierung erfolgte unter Berücksichtigung des hohen Alters und der umfangreichen Komorbiditäten der Patientin anschließend die isoliert adjuvante Strahlentherapie ohne die beidseitige Aus- räumung der Halslymphknoten. Im Rahmen der postoperativen Nachsorge erwies sich die Einheilung des Vollhauttrans- plantats unter der laufenden Strahlentherapie als suffizient (Abbildungen 5a bis c). In der klinischen Verlaufsbeobachtung von nun- mehr einem halben Jahr zeigte sich kein Hinweis auf ein Rezidiv. Diskussion Diese Falldarstellung thematisiert mit dem Merkelzellkarzinom (MCC) einen äußerst seltenen primären, neuroendokrinen Tumor der Haut unklarer Genese, der vornehmlich im Bereich der Gesichtshaut älterer Patien- ten (mittleres Lebensalter 70 Jahre) auftritt [Oram, Bartus et al., 2016]. Erhebungen Der besondere Fall mit CME Ein bösartiger Hauttumor mit steigender Inzidenz – das Merkelzellkarzinom Daniel G. E. Thiem, Andreas Erbersdobler, Bassam Saka, Peer W. Kämmerer Im Januar 2018 stellte sich eine 88-jährige Frau nach Überweisung durch den niedergelassenen Dermatologen mit der Verdachtsdiagnose eines nodulären Basalzellkarzinoms der linken Wange in der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Universitätsmedizin Rostock vor. Die Patientin störte die Hautveränderung nur ästhetisch – der Dermatologe hatte aber mit der Überweisung zur MKG-Chirurgie richtig reagiert. Kliniker präsentieren Fälle mit hohem diagnostischem Schwierigkeitsgrad. Fotos: Thiem 44 Zahnmedizin

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