Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 108, Nr. 17, 1.9.2018, (1894) behandelt werden (Abbildung 1) [Howell, 2004]. Schlecht eingestellte Hypertoniker, die sich einer elektiven Behandlung unter- ziehen, sollten – sofern nicht bereits ge- schehen – vor der Behandlung hausärztlich beziehungsweise internistisch abgeklärt werden [Sear, 2008]. Ängstliche Patienten, die möglicherweise während der Behand- lung psychisch dekompensieren könnten, sollten vorab identifiziert werden [Nunn, 2000]. Neben einer optimalen Lokalanäs- thesie und ruhiger verbaler Führung können beide Komplikationen – Hypertonie und Hyperventilation – durch geeignete Sedie- rungsmaßnahmen abgefangen werden [Matsuura, 1989]. Was kann man aus dem Ereignis lernen? Die enge zeitliche Beziehung zwischen dem Schmerz, dem Bluthochdruck und der psy- chischen Erregung mit Hyperventilation deutet auf einen kausalen Zusammenhang zwischen den Ereignissen hin. Das wissen- schaftliche Interesse an der Pathophysiologie der Hypertonie, gerade in Zusammenhang mit zahnmedizinischen Behandlungen, ist außerordentlich groß [Hatch, 1984]. Akute Schmerzen dienen der Vermeidung von Gewebeschäden und führen zu einer auf- steigenden Nozizeption und Rekrutierung segmentaler spinaler Reflexe. Abhängig von der Intensität und Dauer des Schmerzreizes werden das sympathische Nervensystem aktiviert, der periphere Widerstand, die Herzfrequenz und das Schlagvolumen er- höht. Hinzu kommt eine Aktivierung des neuroendokrinen Systems, und die Hypo- thalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden- Achse (Stressachse) wirkt dabei ebenfalls auf das sympathische Nervensystem. Diese Phänomene sind geläufig, aber der umge- kehrte Einfluss einer Hypertonie auf das Schmerzempfinden ist vielen nicht bekannt. So kommt es in diesem Zusammenhang zu einer „hypertension-associated hypo- algesia“, das heißt, es kommt zu einer Dämpfung des Schmerzempfindens bei steigenden Blutdruckwerten [Dworkin, 1979]. Schmerzen und Angst regen aber nicht nur das sympathische Nervensystem an. Häufig sind sie auch Auslöser einer psychischen Erregung, die in einem Hyperventilations- syndrommündet. In amerikanischen Studien ist das Phänomen nach der vasovagalen Synkope (60 Prozent) der zweithäufigste Notfall (7 Prozent) in der Zahnmedizin [Haas, 2006]. Wie sieht in dem Fall ein Notfallmanage- ment aus? Die Hyperventilation kann häufig durch ruhiges Zureden abgefangen werden. Schwierigere Fälle können gelegentlich eine notärztliche Intervention erfordern, wobei intravenöse Benzodiazepine den Goldstan- dard darstellen. Die früher beschriebene Rückatmung mittels Plastiktüte wird, nach schwerwiegenden Komplikationen, nicht Notfälle in der Zahnarztpraxis Notfall Synkope Angina pectoris Krampfanfall Hypoglykämie Orthostatische Hypotonie Asthma bronchiale Atemwegsverlegung Hypertonie Anaphylaxie Myokardinfarkt Herzstillstand Schlaganfall Tabelle 1; Quelle: Eigene Darstellung des Autors nach Muller [2008], Girdler [1999] und Arsati [2010] Deutschland (n = 620) 58 - 7 4 - 4 0.8 7 1 - - 0.6 England (n = 302) 62.9 11.9 9.9 9.6 - 4.6 4.6 0.9 0.9 0.7 0.3 - Brasilien (n = 374) 12.7 6.8 6 5.6 44.4 15 2.2 15 0.4 0.2 0.2 - 54 Praxis

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