Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17
zm 108, Nr. 17, 1.9.2018, (1930) den aeroben Bakterium, sind in der Zahn- medizin nicht bekannt. Infektionen durch Clostridium perfringens (Gasbrand) und Clostridium tetani (Tetanus) sind theoretisch möglich, aber bisher extrem selten und dann auch nicht zweifelsfrei beschrieben worden. Clostridien wachsen nur anaerob und wären daher nur dann von klinischer Bedeutung, wenn zum einen ein speichel- dichter Wundverschluss durchgeführt wird und zum zweiten die Durchblutung des be- treffenden Gewebes nicht gewährleistet ist. In der RKI-Empfehlung zur Hygiene in der Zahnmedizin ist Folgendes vermerkt: „Be- sondere hygienische Anforderungen sind bei zahnärztlich-chirurgischen/oralchirurgischen Eingriffen mit nachfolgendem speichel- dichten Wundverschluss (zum Beispiel bei Implantationen, Transplantationen von autologem Knochen- oder Bindegewebe, Sinus-Lift-Operationen, Wurzelspitzenresek- tionen) und in der Regel bei allen zahnärztlich- chirurgischen/oralchirurgischen Eingriffen bei Patienten mit erhöhtem Infektionsrisiko einzuhalten“ [KRINKO, 2006]. Was die KRINKO unter „besonderen hygienischen Anforderungen“ genau versteht, geht aus ihren Mitteilungen allerdings nicht hervor. Sobald es um die konkrete Kategorisierung (in unkritisch, semikritisch, kritisch) geht, bezieht sie sich in ihren Empfehlungen nicht mehr auf das Kriterium „speicheldichter Ver- schluss“ sondern nur noch auf das Kriterium „Durchdringen der Schleimhaut“. Probleme beim Gebrauch des Kriteriums „speicheldichter Wundverschluss“ wurden in der Literatur diskutiert [Staehle, 2017]. Würde man es prioritär zugrunde legen, würde dies in der Tat bedeuten, dass nur in Fällen einer Naht (oder Ähnlichem) mit kritisch eingestuftem Instrumentarium ge- arbeitet werden muss. Bei anderen chirur- gischen Interventionen (auch wenn es sich um umfangreiche Eingriffe handelt) könnten hingegen semikritisch zugeordnete Instru- mente verwendet werden. Folgerichtig müsste, wenn es während eines zahnärzt- lichen Eingriffs zu Änderungen des geplan- ten Vorgehens kommt (etwa wenn mit semikritisch eingestuftem Instrumentarium begonnen wurde, sich aber während des chirurgischen Eingriffs herausstellt, dass doch genäht werden muss), ein Wechsel des gesamten semikritischen Instrumentariums zu sterilem (kritischem) Instrumentarium er- folgen. Es ist zudem nicht immer abschätz- bar, ob ein Mukosa- oder Mukoperiostlap- pen mittels Naht so fixiert wurde, dass eine primäre Speichelundurchlässigkeit besteht oder nicht. Die Vorausplanung kann bei besonderen Zahnstellungen oder -formen (zum Beispiel Konkavitäten) zu beträcht- lichen Herausforderungen führen, ganz ab- gesehen von der vorab nicht immer klar abzuschätzenden Patientencompliance. Auch im Fall der Drainage einer mittels Naht fixierten Wunde wäre das Kriterium der Speicheldichtigkeit zu hinterfragen. Manuell aufbereitete semikritische Instrumente Desinfektionsverfahren (chemische oder thermische Desinfektion im Thermodesin- fektor oder unverpackte Behandlung im Autoklaven) versetzen Instrumente unter optimalen Bedingungen (das heißt bei zuverlässiger Vorreinigung und korrektem Vorgehen mit sicherer Verhinderung von Spülschatten usw.) in einen derart keim- armen Zustand, dass sie bei der weiteren Verwendung nicht mehr infizieren können. Durch die Behandlung mit Reinigungs- lösung im Thermodesinfektor (RDG) werden mindestens 4 log-Stufen (99,99 Prozent) anhaftender Erreger mechanisch entfernt (abgespült). Hinzu kommt bei vegetativen Bakterien und Pilzen (bei Hepatitisviren sind derartige Untersuchungen bisher nicht bekannt) eine thermische Desinfektions- wirkung ( ≥ 90°C, 5 Minuten) von etwa 100 log-Stufen. Hierdurch geht man davon aus, dass sogenannte Kreuzinfektionen (auch Hepatitisinfektionen) sicher auszuschließen sind. Bei chemischen Desinfektionsverfahren (Tauchdesinfektion) werden vegetative Bak- terien und Viren um mindestens 4 bis 5 log- Stufen (99,99 bis 99,999 Prozent) reduziert. Da die manuelle Reinigung von Instrumen- ten in viel kürzerer Zeit als die maschinelle Reinigung durchgeführt wird – es reinigt und spült kaum jemand 20 Minuten an einem einzigen Instrument –, werden hier in der Regel lediglich 2 log-Stufen mechanisch entfernt. Insgesamt resultiert aus der manu- ellen Aufbereitung also eine Keimzahlreduk- tion von 6 bis 8 log-Stufen. Da bei einem Patienten mit akuter Hepatitis B eine Virämie von ca. 10 10 pro Milliliter auftreten kann, sollten manuell aufbereitete semikritische Medizinprodukte nach den Empfehlungen des DAHZ [DAHZ, 2018] zusätzlich ab- schließend unverpackt im Dampfsterilisator behandelt (desinfiziert) werden. Diese For- derung wird durch die Tatsache erhärtet, dass ungenügend gereinigte Instrumente durch chemische Verfahren nicht ausreichend desinfiziert werden [Spicher & Peters, 1991; Chaufour et al., 1999]. Hier wurde im Tier- versuch eine Übertragung von HBV nachge- wiesen. Dampfsterilisationsverfahren wer- den dagegen durch Restverschmutzungen nicht wesentlich beeinflusst [9]. Ein Ab- wischen von Instrumenten mit Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln stellt keine wirk- same und reproduzierbare Aufbereitungs- methode von Instrumentarium dar. Jeder praktizierende Zahnarzt kennt das Problem von Instrumentenverunreinigungen, die sich durch Abwischen (zum Beispiel mit einem Zellstofftupfer) nicht befriedigend entfernen lassen, auch bei sorgfältiger Prü- fung zuweilen initial kaum sichtbar sind und deshalb erst nach Behandlung im RDG und/ Wissenschaftlich ist die Beschränkung der Anwendung steriler Instrumente auf Eingriffe mit abschließendem spei- cheldichten Wundverschluss bisher nicht eindeutig geklärt. Es fehlen aussa- gekräftige Untersuchungsergebnisse. Eine abschließende Sterilisation der se- mikritischen Instrumente ist bei vali- dierten maschinellen Aufbereitungs- verfahren nicht erforderlich. Erlauben die Geräte kein validiertes Reinigungs- und Desinfektionsverfahren, sind diese stillzulegen oder es sind die Instrumen- te abschließend unverpackt einer Dampfsterilisation zu unterziehen. 90 Zahnmedizin
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