Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 17

zm 108, Nr. 17, 1.9.2018, (1933) und äußere Gegebenheiten (siehe unten) berücksichtigt werden. Hinzu kommen patientenbezogene Variablen. Wie oben ausgeführt, ist es für die Ätiologie einer Wundinfektion unerheblich, auf welchem Infektionsweg pathogene Erreger in die Wunde eingetragen werden. Der Zustand des Gewebes vor und während der Behandlung, die Infektabwehr des Patienten sowie die Virulenz und Anzahl der Erreger sind für das Zustandekommen einer Wund- infektion von Bedeutung. Nach den Regeln der formalen Logik ergeben – vordergrün- dig betrachtet – sterile Instrumente nur dann einen Sinn, wenn auch ansonsten konsequent auf Sterilität geachtet wird. Dazu gehören beispielsweise sterile Hand- schuhe und sterile Kühl- und Spüllösungen. All dies ist im Rahmen konservierender, pro- thetischer, kieferorthopädischer und teil- weise auch oralchirurgischer Behandlungen traditionell nicht der Fall. Auch steriles Füllungsmaterial, etwa bei endodonto- logischen Behandlungen, ist nicht üblich. Andererseits erscheint es bezüglich des Infektionsrisikos auch nicht unlogisch, zwi- schen Substanzen und Medizinprodukten, die an verschiedenen Patienten zum Einsatz kommen, und solchen, die als Einmal- produkte fungieren, zu differenzieren. Unter Berücksichtigung diverser Aspekte wurden durch den DAHZ Empfehlungen zur Risikoklassifikation von Instrumenten bei zahnärztlichen Behandlungen vorgeschla- gen (Tabelle 3), die zwar nicht durchgehend evidenzbasiert sind, sich aber an den lang- jährigen Erfahrungen zahnärztlicher Kolle- gen orientieren („bewährte zahnärztliche Praxis“). Die oben angesprochenen Probleme bei der Zuordnung zu den Kategorien semikritisch und kritisch lassen sich auch in der Tabelle ablesen. In solchen Fällen wird dann als Differenzierungskriterium in der Regel der vorhandene oder fehlende „speicheldichte Verschluss“ herangezogen. Diese Vorge- hensweise lässt sich, wie oben begründet, allerdings bislang nicht ganz widerspruchs- frei begründen und bedingt eine patienten- bezogene zahnärztliche Risikoanalyse. Zusammenfassung Die Notwendigkeit des Einsatzes von sterilen zahnärztlichen Instrumenten ist nach dem Stand von Wissenschaft und Technik (nach den Empfehlungen der KRINKO) gegeben, wenn diese die Schleim- haut bestimmungsgemäß verletzen oder Wunden zweckbestimmt berühren. Ein weiteres, allerdings nicht unumstrittenes Differenzierungskriterium ist die Frage, ob anschließend ein speicheldichter Wund- verschluss gewährleistet werden kann. Wer- den Instrumente als „kritisch“ klassifiziert, müssen sie gereinigt, desinfiziert, verpackt, sterilisiert und bis zum Einsatz vor Rekonta- mination geschützt gelagert werden. Bei den übrigen („semikritischen“) Instrumenten genügt eine maschinelle Reinigung und thermische Desinfektion in validierten Auf- bereitungsverfahren. Manuell aufbereitete semikritische Medizinprodukte müssen nach der Reinigung und chemischen Des- infektion abschließend unverpackt im Dampfsterilisator behandelt (desinfiziert) werden. So kann bei beiden Verfahren der Patientenschutz gewährleistet sein. Hat der Zahnarzt bei definierten Instrumen- ten aus seiner praktischen Erfahrung Zweifel an dieser formellen Einstufung, sollten semi- kritische Instrumente abschließend (unver- packt oder verpackt) dampfsterilisiert wer- den. Die Instrumente werden damit nicht zwangsläufig als kritische Instrumente klas- sifiziert. Sind bei bestimmten Patienten hinreichend abschätz- und definierbar lokale oder syste- mische Risikofaktoren vorhanden, die bei- spielsweise eine verzögerte Wundheilung (vor allem ungenügende Durchblutung) vermuten lassen, kann im Einzelfall ein Ab- weichen von dieser allgemeinen Vorgehens- weise und der Einsatz steriler Medizinpro- dukte (dann gegebenenfalls auch unter weiteren sterilen Kautelen) erforderlich sein. Prof. Dr. rer. nat. et rer. medic. habil. Lutz Jatzwauk Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Leiter des Zentralbereiches Krankenhaushygiene/ Umweltschutz Fetscherstr. 74 01307 Dresden Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Hans Jörg Staehle Universitätsklinikum Heidelberg Ärztlicher Direktor der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg Porträt: Universitätsklinikum Carls Gustav Carus Porträt: Universitätsklinikum Heidelberg Legende zur Tabelle 3 *Bei zahnärztlichen Behandlungen von Pa- tienten ohne zusätzliche Risikofaktoren ist es bisher wissenschaftlich nicht nachgewiesen, welche Spezies (Bakterien bzw. Pilze) in wel- cher Konzentration im Wasser von Behand- lungseinheiten zum Auftreten von nosoko- mialen Infektionen nach der Behandlung füh- ren können; entsprechende Studien und Fall- berichte fehlen nahezu vollständig. Man geht daher in Deutschland davon aus, dass die An- zahl von Bakterien im Wasser der Behand- lungseinheit nicht höher sein sollte als im Trinkwasser, für das die Trinkwasserverord- nung gilt, die eine Koloniezahl von max. 100 KBE/ml fordert. In den USA definierten die Centers for Disease Control (CDC) 2003 in Anlehnung an die Gesetzgebung für Trink- wasser eine Koloniezahl von maximal 500 KBE/ml für das Wasser zahnärztlicher Be- handlungseinheiten bei nicht-chirurgischen Eingriffen. (zitiert nach AWMF-Leitlinie „Hy- gienische Anforderungen an das Wasser in zahnärztlichen Behandlungseinheiten“ – Rg.Nr. 075–002) ** Da bisher bei endodontischen Behandlun- gen durchgehend sterile Kautelen nicht mög- lich sind (z.B. Spüllösungen, Wurzelfüllungs- materialien) ist die Notwendigkeit für den Ein- satz sterilen Instrumentariums für jeden Teil- schritt als wissenschaftlich ungeklärte Frage anzusehen und liegt daher im Ermessen des Behandlers Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 93

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