Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 108, Nr. 18, 16.9.2018, (2120) Rhinosinusitis: Bei der Rhinosinusitis handelt es sich um eine weit verbreitete Entzündung von Nasen- und Kieferhöhlenschleimhaut, die nahezu immer gemeinsam betroffen sind und daher als funktionale Einheit be- trachtet werden. Sollte es nach mehr als zwölf Wochen nicht zu einer vollständigen Genesung gekommen sein, spricht man von einer Chronifizierung, wobei die chronische Rhinosinusitis zu den derzeit häufigsten chronischen Erkrankungen überhaupt gezählt wird. Typische Symp- tome sind eine behinderte Nasenatmung, Riechstörungen, nasale Sekretion, eine er- höhte Anfälligkeit gegenüber Infektionen sowie ein Druck- und Spannungsgefühl vornehmlich, aber nicht ausschließlich, im Oberkieferbereich. Eine erfolgreiche Thera- pie besteht zumeist aus der Kombination von Antibiotika und Kortikosteroiden sowie – wenn notwendig – einer funktionalen endoskopischen Kieferhöhlenoperation (zu den Details: siehe Repetitorium). Dieser Behandlungsansatz scheitert jedoch nicht selten in Fällen von Rhinosinusitiden odon- togener Genese. Odontogene Rhinosinusitis: Bei diesem Subtyp der Rhinosinusitis handelt es sich um eine Erkrankung mit dentaler Ursache. Es wird geschätzt, dass 10 bis 40 Prozent aller maxillären Sinusitiden sowie bis zu 75 Prozent der unilateralen Rhinositiden einen derartigen Ursprung haben, es handelt sich also nicht um eine seltene Erkrankung. Trotzdem kommt es oftmals zu einer Nichtbeachtung dieser Pathogenese bei ähnlichen, wenn nicht sogar gleichen, unspezifischen Symptomen wie bei der nicht-odontogenen Rhinosinusitis. Selbst Zahnschmerzen und/oder Hypersensitivität sind nicht prädiktiv und kommen lediglich bei circa einem Drittel der betroffenen Patienten vor. Die höchste Spezifität hat faulig wirkender Ausfluss aus der Nase und/ oder ein ausgeprägter Mundgeruch (bis zu 40 Prozent der Patienten). Die odontogene Rhinosinusitis zeigt eine leichte weibliche Prävalenz bei einem Häufigkeitsgipfel zwischen der vierten und der sechsten Lebensdekade. Am häufigsten handelt es sich um eine iatrogene Proble- matik, vor allem nach Zahnextraktionen, gefolgt von einer infektiösen (zum Beispiel bei Vorliegen einer apikalen Entzündung), Fremdkörper bedingten (Abbildung 1) und traumatischen Genese. Bei nicht adäquaten diagnostischen Algorithmen (Klinik, 2-D- und 3-D-Bildgebung) und daher unzurei- chender Therapie ist neben der Persistenz auch eine Ausbreitung in die benachbarten Sinus, in den periorbitalen Raum oder sogar in den Sinus cavernosus möglich. Die potenziellen Folgen einer solchen Exazerbation, wenn auch selten, sind eine Pansinusitis, eine Osteomyelitis, eine Me- ningitis oder gar eine Erblindung. Nach der Diagnose einer odontogenen Rhinosinusitis ist die Elimination des Fokus essenziell um eine Ausheilung zu erreichen. Hier bietet sich die Kombination aus oralchirurgischer Behandlung und, wenn notwendig, endoskopischer Kieferhöhlenoperation an. Fremdkörper (Abbildung 2) sollten entfernt und Mund-Antrum-Verbindungen verschlossen werden. Fazit für die Praxis: Bei der odontogenen Rhinosinusitis handelt es sich um eine häufig unterdiagnostizierte Erkrankung mit pathophysiologischen Mecha- nismen und einer Therapie, die sich von denen der nicht-odontogenen Rhinosinusitis unter- scheiden. Die multidisziplinäre Arbeit, zum Beispiel gemeinsammit der HNO und der Allergologie, ist notwendig. Insbesondere die Kombination aus vor- herigem zahnärztlichen Eingriff im Oberkiefer, einer unilateralen Kieferhöhlenverschattung und fauligem Ausfluss/Geruch sollte das Augenmerk auf eine mögliche dentogene Rhinosinusitis lenken. Die 2-D-Bildgebung allein (Zahnfilme, Panoramaschichtaufnahmen) ist oftmals für eine suffiziente Diagnose nicht ausreichend, sodass eine 3-D-Bildgebung (DVT, CT) als der- zeitiger Goldstandard empfohlen wird. Im Rahmen der Bildgebung sind peri- apikale Transluzenzen in Kombination mit einem verschatteten Sinus hinweisend auf eine dentogene Rhinosinusitis, wobei auch der Boden der Kieferhöhle auf Knochensubstanz- verluste, Fremdkörper und Verdickungen hin untersucht werden sollte. PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der Universitätszahnklinik Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Aus Sicht der Zahnmedizin Die odontogene Rhinosinusitis Abbildung 1:In die Kieferhöhle überstopftes Wurzelfüllmaterial Foto: aus Buttchereit I, Kämmerer PW: Der besondere Fall mit CME. Fremdkörper in der Kieferhöhle. Zahnärztliche Mitteilungen 2016.106(23):52–58. Abbildung 2: In die Kieferhöhle disloziertes dentales Implantat Foto: Kämmerer 108 Medizin

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