Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 108, Nr. 18, 16.9.2018, (2060) in der kutanen Basalschicht besonders geschädigt, wodurch das Regenerations- potenzial der Mukosa deutlich negativ be- einträchtigt wird und es es zu einer Atrophie und zu Ulzerationen der Mukosa kommt. Es entstehen zunehmend Defekte in der Integrität der Schleimhaut, die diese für verschiedenste Noxen anfälliger machen (mechanisch, chemisch, thermisch, bakte- riell, viral und muzin). Der Verlauf einer Mukositis lässt sich in einem Fünf-Phasen- Modell beschreiben [Bollig 2016]: (I) Initiation (II) Inflammation und Freisetzung von Zytokinen (III) Signalverstärkung (IV) Ulzeration (V) Abheilung Eine interessante Theorie hinsichtlich der Pathophysiologie der Mukositis beschreibt strahlungsinduzierte Veränderungen in der inflammatorischen Signalkaskade durch NF- ं B (nuclear factor-kappa B), einem wichtigen Transkriptionsfaktor, der neben Immunreaktionen und der Apoptose von Zellen bei einer Aktivierung auch inflamma- torische Reaktionen induzieren kann [Frings et al., 2016]. Insgesamt ist die Bedeutung von NF- ं B im Kontext der oralen Mukositis aber noch wenig im Detail verstanden. Interessanterweise zeigten Curra et al. bei einer durch 5-FU (5-Fluoruracil) im Tier- modell induzierten oralen Mukositis und einer experimentellen, therapeutischen Photobiomodulation mildere Schweregrade der Mukositis bei einer Aktivierung des NF- ं B-Signalwegs [Curra et al., 2015]. Zusammenfassend muss hinsichtlich der Pathophysiologie der Mukositis von einem multifaktoriellen Geschehen ausgegangen werden, das in seiner Gesamtheit noch nicht geklärt ist. Klinik Das klinische Bild der oralen Mukositis ist vielschichtig und reicht von einfachen, lokalisierten Schleimhautirritationen bis hin zu schwersten Ulzera der gesamten oralen Mukosa [Bollig et al., 2016] (Abbildungen 4 und 5). In der Regel entwickeln sich die ersten Symptome innerhalb der ersten zwei Wochen nach Therapiebeginn. Das klinische Bild be- inhaltet Irritationen, Erytheme, Inflamma- tionen, Ulzera, Blutungen, Xerostomie und Geschmacksstörungen. Zusätzlich beklagen die Patienten starke Schmerzen und Par- ästhesien. Es kommt im Verlauf häufig zu Superinfektionen (Bakterien, Viren, Pilze), Kau- und Schluckbeschwerden, Einschrän- kungen in der Flüssigkeits- und Nahrungs- aufnahme, Dehydrierung, Sprachproblemen, einer möglichen Behinderung der weiteren Tumortherapie und einer generellen Beein- trächtigung der Lebensqualität. Für das Ge- sundheitswesen entstehen außerdem hohe Kosten, unter anderem aufgrund der verlän- gerten Hospitalisierungszeit [Lalla et al., 2016; Panahi et al., 2016]. Der zeitliche Ablauf der beschriebenen klinischen Symptome und der Zeitpunkt ihres Auftretens können dabei variieren. Nach der WHO wird die orale Mukositis in fünf verschiedene Schwere- grade (0 bis IV) eingeteilt [Bollig, 2016]: Grad 0 = keine Mukositis Grad I = Erythem, Wundgefühl Grad II = Ulzeration (Aufnahme fester Nahrung noch möglich) Grad III = Ulzeration (Aufnahme von Flüssig- keit und flüssiger Nahrung noch möglich) Grad IV = Ulzeration (keine Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme möglich) Wie ersichtlich ist hierbei vor allem die Klinik führend [Bollig, 2016]: (I) die klinische Symptomatik (zum Bei- spiel Schmerzen), (II) das klinische Bild (zum Beispiel Ulzera- tionen) und (III) die klinischen Konsequenzen (zum Beispiel Beeinträchtigung der Nahrungs- aufnahme) Allgemein kommt es bei einer Radio- und/ oder Chemotherapie im Kopf-Hals-Bereich ab einer Strahlenintensität von etwa 30 Gy Abbildung 4: Ausgeprägte orale Mukositis der linken Zungenhälfte mit tiefen Ulzerationen und einer deutlichen, entzündungsbedingten Schwellung der Zunge (WHO-Grad III–IV) Abbildung 5: Ausgeprägte orale Mukositis der linken Wange, des Weichgaumens und des gesamten Oropharynx mit Ulzerationen der teils fibrinbelegten Mundschleimhaut (WHO-Grad II–III) Abbildung 6: Fluoridierungsschiene 5 6 4 48 Zahnmedizin

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