Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 18

zm 108, Nr. 18, 16.9.2018, (2064) Weitere Behandlungsoptionen Auch Therapien mit Curcumin (ein gelblicher Farbstoff aus der Pflanze Kurkuma), Derma- tan-Sulfat (ein Glykosaminoglykan, das als natürliche Verbindung beispielsweise in der Haut vorkommt) und Lactobacillus brevis (ein grampositives Stäbchenbakterium mit probiotischen Eigenschaften) werden in der Literatur beschrieben [Patil et al., 2015; Sharma et al., 2017; Gruber et al., 2018]. Eine weitere Studie untersuchte die Effektivi- tät einer Glutamin-Applikation (eine nicht essenzielle Aminosäure) zur Reduktion der Inzidenz und des Schweregrades einer Ra- dio- und/oder Chemotherapie induzierten oralen Mukositis, wobei im Vergleich zur Placebogruppe täglich 3 x 10g Glutamin oral eingenommen wurden. Obwohl die Er- gebnisse eine Signifikanz verfehlten, konnte klinisch eine Besserung der Mukositis gezeigt werden [Lopez-Vaquero et al., 2017]. Auch einer Therapie mit Melatonin (ein Hormon, das in der Epiphyse produziert wird und unter anderem eine antioxidative Wirkung besitzt) wird ein positiver Effekt bescheinigt [Abdel Moneim et al., 2017]. Ebenso wurde von Frings et al. der NF- ं B-Inhibitor Thali- domid mit Hinblick auf die Prävention und Therapie der oralen Mukositis untersucht [Frings et al., 2016]. Nicht immer evidenzbasiert, aber vielversprechend Auch Platlet Gel Supernatant (PGS) wurde untersucht und zeigte vielversprechende klinische Ergebnisse [Bonfili et al., 2017]. In einem murinen In-vivo-Modell wurde der Effekt von Pentoxyfylline (PTX; ein Xanthin- Derivat mit antiinflammatorischen Eigen- schaften) untersucht. Diese Therapie zeigte dabei eine signifikante Reduktion der Muko- sitis nach IMRT, was auf eine verbesserte Zell- regeneration zurückgeführt wurde [Gruber et al., 2015]. Auch eine ȕ 1-Integrininhibition (ein membranständiger Zellrezeptor, der im Rahmen von Immunreaktionen eine Rolle spielt) wurde erfolgreich getestet [Albert et al., 2012]. Eine placebokontrollierte, ver- blindete, prospektive klinische Studie testete die Wirkung von Samital, einem Cocktail aus verschiedenen Pflanzenextrakten, in der Be- handlung der oralen Mukositis. Neben der Reduktion des Schweregrades der Mukositis konnten auch eine Schmerzreduktion und eine Steigerung der Lebensqualität nachge- wiesen werden [Pawar et al., 2013]. Auch Rebamipid, ein Wirkstoff zur Prophylaxe und Therapie des Magenulkus, wurde getestet [Chaitanya et al., 2017]. Panahi et al. wiesen darauf hin, dass in jüngerer Zeit ein Trend zu natürlichen Medikamenten und Naturheil- verfahren bei der Prophylaxe und Therapie der oralen Mukositis zu beobachten sei [Panahi et al., 2016]. Zusammenfassend wurde bislang eine Vielzahl verschiedener prophylaktischer und therapeutischer Optionen beschrieben, die allerdings nicht abschließend evidenz- basiert bewertet werden können. Interdisziplinäre Kommunikation ist wichtig Tabelle 1 gibt eine systematische Übersicht über mögliche prophylaktische und thera- peutische Maßnahmen im Rahmen der ora- len Mukositis, die nicht vollständig evidenz- basiert sind, aber in der Praxis im Sinne des Patienten angewendet werden können. Da- neben spielt die interdisziplinäre Kommuni- kation zwischen Zahnmedizin, MKG-Chirur- gie/HNO, Onkologie und Strahlentherapie eine wichtige Rolle, um bei möglichen schwerwiegenden Verläufen gegebenenfalls weiterführende therapeutische und suppor- tive Maßnahmen (Schmerztherapie unter stationären Bedingungen, PEG-Anlage) bei Bedarf zeitnah einleiten zu können. Fazit Die orale Mukositis ist eine ernstzunehmende und unter Umständen sehr schwerwiegende und komplikationsträchtige Nebenwirkung während oder nach einer Radio- und/oder Chemotherapie. Die Extremform führt unter Umständen zu einer intensivmedizinischen Betreuung der Patienten mit morphin- basierter Schmerztherapie und parenteraler Ernährung. Die wichtigsten prophylaktischen Maßnahmen sind neben der konservieren- den, prothetischen und gegebenenfalls chi- rurgischen Zahnsanierung die Optimierung der Mundhygiene und Mundpflege. Thera- peutisch finden in erster Linie symptoma- tische Therapien Anwendung, zum Beispiel die Schmerztherapie und die Anwendung pflegender, analgetischer und antiphlogis- tischer Mundspüllösungen und Gele. Be- troffene Patienten sollten neben einer engen chirurgischen, onkologischen und strahlen- therapeutischen Anbindung auch in ein engmaschiges zahnärztliches Monitoring (kurze Recall-Intervalle) aufgenommen und kontinuierlich zu einer Optimierung der Mundhygiene angeleitet werden. Zukünftig könnte es interessant sein, ob möglicherweise auch neuere onkologische Konzepte, wie der Einsatz von Tyrosinkinase- inhibitoren (Cetuximab) oder von Checkpoint- inhibitoren (Nivolumab), eine Mukositis- ähnliche Symptomatik verursachen können [Vermorken et al., 2008; Ferris et al., 2016; Harrington et al., 2017]. Dr. med. Dr. med. dent. Andreas Pabst Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie Bundeswehrzentral- krankenhaus Koblenz Rübenacherstr. 170 56072 Koblenz Andreas1Pabst@ bundeswehr.org Dr. Elisabeth Goetze Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichts- chirurgie – Plastische Operationen Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2 55131 Mainz elisabeth.goetze@uni medizin-mainz.de Priv.-Doz. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, M.A., FEBOMFS Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichts- chirurgie – Plastische Operationen Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2 55131 Mainz peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Foto: privat Foto: privat Foto: privat 52 Zahnmedizin

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