Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19
zm 108, Nr. 19, 1.10.2018, (2256) charakteristisch für die Herzschwäche zu sein, was Hoffnungen auf Ansatzpunkte für neue Therapien nährt. So kamen die Abweichun- gen zwischen gesunden und Personen mit Herzschwäche hauptsächlich durch den Verlust von Bakterien der Gattungen Blautia und Collinsella zustande sowie durch zwei bislang unbekannte Gattungen, die zu den Familien Erysipelotrichaceae und Rumino- coccaceae gehören. Andere Forschungs- arbeiten haben gezeigt, dass Blautia und ebenso die Gattung Faecalibacterium ent- zündungshemmend wirken. Beide Gattun- gen sind bei Patienten mit Herzinsuffizienz vermindert, so dass vermutet wird, dass die veränderte Darmflora ihrerseits für die mit der Herzschwäche assoziierten Entzündungs- reaktionen verantwortlich zeichnet. Während ein Zusammenhang des Darm- Mikrobioms mit Darmerkrankungen und Bei der pseudomembranö- sen Colitis handelt es sich um eine Entzündung des Dickdarms nach vorangegangener oder laufender syste- mischer Antibiotikatherapie. Insbesondere bedingt durch eine zeitlich prolongierte Antibiose kommt es zu einer Störung der physiologischen Darmflora und zu einer Reduktion Antibiotika-sensibler Darmbak- terien, so dass sich mit zunehmender Dauer der Therapie vermehrt Antibiotika-resistente Bakterien, zum Beispiel Clostridium difficile, vermehren [1]. Clostridium difficile findet sich unter anderem in der Darmflora von Neugeborenen. Dabei handelt es sich um einen der wichtigsten Erreger nosokomialer Infektionen, die beispielsweise im Rahmen von Krankenhausaufenthalten auftreten kön- nen. Diese grampositiven, sporenbildenden, anaeroben Stäbchenbakterien sezernieren Enterotoxine vom Typ A und Zytotoxine vom Typ B, die eine Entzündungsreaktion der lokalen Darmmukosa über eine Schädi- gung der Intestinalzellen hervorrufen. Diese Entzündung der Darmmukosa wird häufig im Verlauf von Fibrin belegt, so dass das klinische Vollbild einer pseudomembra- nösen Colitis auf Basis einer Clostridium- difficile-Infektion (CDI) entsteht, die häufig im Sigma und im Rektum lokalisiert ist [1]. 2012 betrug die Inzidenz der CDI und der pseudomembranösen Colitis etwa 82 Fälle je 100.000 Einwohner [2]. Neben einer allgemeinen Beschwerdesymptomatik – wie starken Bauchschmerzen – kann eine pseudomembranöse Colitis mit einer hoch- frequenten Diarrhoe von über zehn meist wässrig-breiigen Durchfällen pro Tag einher- gehen und sich unter Umständen zu einem lebensbedrohlichen Krankheitsbild entwickeln. Die Therapie besteht neben einem Stopp der Antibiotikatherapie (falls dies mit der Grund- erkrankung zu vereinbaren ist) in suppor- tiven Maßnahmen (wie Rehydrierung), so- wie in einer Behandlung mit Metronidazol, Vancomycin oder Fidaxomicin, wobei nur Metronidazol (zum Beispiel Clont®) auch intravenös appliziert werden kann [1]. Als besonders schwerwiegende Kompli- kationen gelten neben der Exsikkose nach langer Diarrhoe unter anderem das toxische Megakolon, der Ileus und die Darmperforation. Die Sterblichkeit der CDI beziehungsweise der pseudomembranösen Colitis liegt je nach Schweregrad zwischen 3 und 14 Prozent [1]. Die unterstützende Rolle des Zahnarztes Die Antibiotikatherapie spielt nach wie vor eine entscheidende und nicht wegzu- denkende Rolle in der zahnärztlichen Praxis. Es gilt dabei nicht mehr als gesichert, dass die pseudomembranöse Colitis nur durch bestimmte Antibiotika mit vermeintlich hoher kolitogener Potenz, zum Beispiel Clinda- mycin, Ampicillin/Clavulansäure, Chinolone oder Cephalosporine, hervorgerufen wird. Vielmehr ist mittlerweile wahrscheinlich, dass nahezu jedes Antibiotikum eine pseudo- membranöse Colitis hervorrufen kann. Als zusätzliche Risikofaktoren gelten eine The- rapie mit Protonenpumpeninhibitoren oder eine Therapie mit H 2 -Antagonisten, die bei Komedikation das Risiko um das Zwei bis Dreifache erhöhen (Quelle: RKI). Wie bereits angesprochen, gilt besonders die langandauernde Antibiotikatherapie als ein entscheidender Risikofaktor. Antibiotika- therapien sollten daher so lange wie nötig, aber so kurz wie möglich erfolgen. Neben dem Grundsatz „hit hard, but short“ sind Antibiotikatherapien auch nicht an eine „Mindesttherapiedauer“ gebunden und sollten individuell stets schnellstmöglich be- endet werden. Daneben sollte die Indikation zur Antibiotikatherapie stets kritisch gestellt und reevaluiert werden. Bei klinischem Ver- dacht auf eine pseudomembranöse Colitis, wie neu aufgetretene, hoch-frequentierte Durchfälle unter laufender Antibiotikathera- pie, sollte der Patient umgehend zum Haus- arzt zur weiteren Diagnostik und Therapie überwiesen werden. Im Rahmen der Durch- fälle sollten keinesfalls Motilitätshemmer verordnet werden. In etwa 20 Prozent der Fälle führt alleine schon das Beenden einer Antibiotikatherapie zu einem Ende der Durchfälle nach etwa zwei bis drei Tagen (Quelle: RKI). Literatur: [1] Lübbert C, John E, Müller L: Clostridium- difficile-Infektion. Leitliniengerechte Diagnostik und Behandlungsoptionen. Dtsch Ärztebl Int. 111:723–31, 2014. [2] Straussberg J: Epidemiologie der Clostridium-difficile-Infektion. Dtsch Ärztebl Int. 112:345, 2015. PD Dr. Dr. Peer W. Kämmerer M. A., FEBOMFS Leitender Oberarzt/Stellvertr. Klinikdirektor Klinik und Poliklinik für MKG-Chirurgie der Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz peer.kaemmerer@unimedizin-mainz.de Oberstabsarzt Dr. Dr. Andreas Pabst Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Rübenacherstr. 170, 56072 Koblenz Aus Sicht der Zahnmedizin Pseudomembranöse Colitis allerdings unklar, ob die Darmflora als Folge der Herzschwäche verändert ist oder ob sie auch ein Auslöser sein könnte. Lässt sich die Darmflora therapeutisch modulieren? Das beobachtete Muster der reduzierten Bakteriengattungen und -familien scheint nach Angaben der Wissenschaftler allerdings 100 Medizin
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