Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 108, Nr. 19, 1.10.2018, (2184) Menschen besteht zudem ein deutlich er- höhtes Risiko für ein Delir aufgrund einer Polypharmazie und eines Flüssigkeitsdefizits. Interaktionen von Pharmaka – Konsequenzen für einen zahnärztlich-chirurgischen Eingriff Zahnärztlich-chirurgische Eingriffe bei Pa- tienten unter Anwendung von antithrom- botischen Medikamenten bedürfen einer sorgfältigen Vorbereitung zur Prävention von Blutungen beziehungsweise Nachblutungen. Schon aus diesem Grund ist die präoperative Abstimmung mit dem behandelnden Arzt sehr wichtig, wobei auch die grundsätzliche Belastbarkeit des Patienten vor dem Hinter- grund seiner Erkrankung als Indikation für die Gabe eines oder mehrerer Antithrom- botikums/-ka (Thrombozytenaggregations- hemmer und/oder Antikoagulanzien) zu besprechen ist. Zusätzlich sind jedoch auch Interaktionen dieser Medikamente mit anderen Pharmaka zu beachten. So führt der Einsatz von bestimmten Antiphlogistika und Analgetika (zum Beispiel Salizylsäure- derivate, Piroxicam), von einigen Antiinfektiva (zum Beispiel Ciprofloxacin, Erythromycin, Metronidazol), aber auch verschiedener an- derer Arzneimittel (zum Beispiel Omeprazol, Citalopram) und einiger Lebensmittel beziehungsweise Kräuter (zum Beispiel Bockshornklee, Mango, Fischöl) zu einer er- höhten Blutungsgefahr bei Steigerung der Cumarinwirkung, während der Einsatz von Adrenalin beziehungsweise Epinephrin, Atropin, Vitamin K enthaltenden Multi- vitaminpräparaten, Barbituraten oder von bestimmten Psychopharmaka eine erhöhte Thromboseneigung durch Verringerung der Cumarinwirkung induzieren kann [Weber, 2013; Halling, 2016]. In letzter Zeit werden zunehmend auch Nicht-Vitamin-K-abhängige Antikoagulanzien mit antagonisierender Wir- kung auf Thrombin beziehungsweise Faktor Xa eingesetzt [Lutz und Wille, 2016]. Diese „neuen oralen Antikoagulanzien“ (NOAKs) (Tabelle 1) werden aufgrund ihrer direkten Wirkung auf einen der vorgenannten Gerin- nungsfaktoren auch als „direktwirkende orale Antikoagulanzien“ (DOAKs) bezeichnet. Auch bei diesen neuen Präparaten ist das Blutungsrisiko erhöht [Larsen, Rasmussen et al., 2013; Southworth, Reichman et al., 2013; Graham, Reichman et al., 2015]. Zudem muss konstatiert werden, dass diese Medikamente mit ihrer Thrombin- be- ziehungsweise Faktor-Xa-antagonistischen Wirkung sich nicht nur in Bezug auf Eliminie- rung und Antagonisierung unterscheiden, sondern offenbar bei und nach zahnärzt- lich-chirurgischen Eingriffen ein erhöhtes Nachblutungsrisiko generieren, so dass eine chirurgische Intervention erst bis zu 24 Stunden nach der letzten Einnahme erfolgen sollte. Bei Patienten mit Nieren- funktionsstörungen können – Präparate- abhängig – längere Karenzzeiten erforder- lich sein (bis zu 72 Stunden nach der letzten Einnahme) und Medikamenten-abhängig unterschiedliche Empfehlungen zum Pau- Pharmakologische Daten von NOAKs Ziel HWZ Wirkbeginn Eliminierung Dosisanpassung Antidot CAVE Tabelle 1; Quelle: Joachim Jackowski, Korbinian Benz, Gerhard Wahl, Frank Peter Strietzel Dabigatran (Pradaxa ® ) Hemmung Faktor lla 12–14h 0,5–2h Wirkstoff eingeschränkte Nierenfunk- tion (CrCL 30–50 ml/Min) vor und unter Therapie Keratininwert und Kreatinin-Clearence bestimmen ja (Idarucizumab) - Rivaroxaban (Xarelto ® ) Hemmung Faktor X 5–13h 0,5–2h 1/3 direkt renal 2/3 hepatisch via CYP 45 Enzyme eingeschränkte Nierenfunk- tion (CrCL 15–50 ml/Min) ja (Andexanet Alfa – bisher nur in den USA zugelassen) gemeinsam mit Mahlzeit, sonst Emboliegefahr Apixaban (Eliquis ® ) Hemmung Faktor X 8–15h 1–3h 40% renale Elimination 15% hepatisch via CYP 450 Enzyme wenn zwei Kriterien aus i) Alter > 80 Jahre ii) Kreat. > 133 mmol/l iii) KG < 60 kg ja (Andexanet Alfa – bisher nur in den USA zugelassen) - Edoxaban (Lixiana ® ) Hemmung Faktor X 50% renale Elimination ansonsten hepatisch mäßig oder stark einge- schränkte Nierenfunktion (CrCL 30-50 ml/Min) kg < 60 kg gleichzeitige Einnahme von Erythromycin, Ciclosporin, Dronedoran, Verapamil - - 28 Herausforderung Multimorbidität

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