Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm 108, Nr. 19, 1.10.2018, (2242) Eine 81-jährige, immobile, fortgeschritten und umfassend pflegebedürftige Frau wurde in der Notaufnahme der Klinik durch einen niedergelassenen Kollegen mit Verdacht auf einen dentogenen Abszess vorgestellt. Fremdanamnestisch war durch das Pflege- personal des Pflegeheims beobachtet wor- den, dass es bei der Nahrungsaufnahme zu starken Schmerzen im Bereich des Mundes kommt. Die Nahrungsaufnahme war insge- samt deutlich reduziert. Weiterhin wurde über „Eiter im Mund“ berichtet. Die Patienten litt an einem fortgeschrittenen M. Alzheimer, einer weit fortgeschrittenen Demenz und zeitweise auftretenden Wahn- vorstellungen sowie einer bekannten Dys- phagie. Die Anamnese ergab mit Ausnahme einer leichten arteriellen Hypertonie keine weiteren kardiovaskulären beziehungsweise kardiopulmonalen Risikofaktoren. Die klinische Untersuchung erbrachte die Diagnose eines kariös tief zerstörten, nicht erhaltungswürdigen Restzahngebisses mit Pusaustritt aus den Parodontalspalten der Zähne im Ober- und Unterkiefer. Aufgrund der Immobilität, der Demenz und des reduzierten Allgemeinzustands der Pa- tientin wurde auf eine präoperative Bildge- bung (Panoramaschichtaufnahme) verzichtet und eine Zahnsanierung in Vollnarkose mit Entfernung der vorhandenen, tief zerstörten Restbezahnung des Ober- und des Unter- kiefers (nach intraoperativem Befund) mit Abszessentlastung geplant. Eine Behandlung in Lokalanästhesie war aufgrund der klinischen Gesamtsituation nicht möglich. Nach Abschluss der präoperativen Vorbe- reitungen erfolgte in Vollnarkose die kom- plikationslose Extraktion von beherdeten Zähnen im Ober- und im Unterkiefer mit anschließender adaptierender Deckung. Die dentogenen Abszesse konnten bei dieser Maßnahme mit entlastet werden. Der Nar- koseverlauf mit nasaler Intubation gestaltete sich komplikationslos und die Patientin konnte nach sorgfältiger oropharyngealer Absaugung sowie suffizienter Spontan- atmung wach extubiert werden. Postoperativ entwickelte die Patientin im Aufwachraum aufgrund der vorbestehenden orofazialen Parese einen geringen oralen Sekretverhalt bei diskreter Restblutung aus dem OP-Gebiet. Diese diskrete Sekret- ansammlung reichte aus, um bei der Patientin einen Laryngospasmus als reflektorischen Atemwegsverschluss infolge Mikroaspiration mit einem schnellen Sauerstoffsättigungs- abfall auszulösen, der rasch zu einem Herz- Kreislauf-Stillstand führte. Im Rahmen der sofort eingeleiteten kardio- pulmonalen Reanimation erfolgte die un- mittelbare Reintubation der Patientin, die einen schnellen ROSC (return of spontan circulation) zur Folge hatte. Im Zuge der durchgeführten Reanimationsmaßnahmen und der vorbestehenden Osteoporose kam es zu einer linksseitigen Rippenserienfraktur der Costae 3–7 (Abbildung 1), die einen beidseitigen Spannungspneumothorax und ein Pneumoperitoneum über eine Zwerchfell- leckage nach sich führte. Der Spannungspneumothorax wurde akut per Nadeldekompressionen und dann über Thoraxdrainagen beidseits entlastet. In der anschließend durchgeführten CT-Untersuchung von Thorax und Abdomen zeigte sich neben dem beidseitigen, entlasteten Mantelpneumo- thorax zusätzlich ein Pneumomediastinum mit Luftansammlungen im oberen, ventralen Notfallmedizin Reanimation nach Zahnsanierung Andreas Pabst, John Rudat, Michael Bonerewitz, Felix Hofmann, Anna Meier, Richard Werkmeister Dieser Fall zeigt eindeutig, welche teils lebensbedrohlichen Komplikationen bei zahnärztlichen Behandlungen älterer und multimorbider Patienten auftreten können. Abbildung 1: Im Zuge der durchgeführten Reanimationsmaßnahmen und der vorbestehenden Osteoporose kam es bei der Patientin zu einer linksseitigen Rippenserienfraktur der Costae 3–7 (roter Kreis), die einen beidseitigen Spannungspneumothorax und ein Pneumoperitoneum über eine Zwerchfellleckage nach sich führte. Alle Fotos: Pabst et al. 86 Zahnmedizin

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