Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 108, Nr. 20, 16.10.2018, (2392) Neoplasien der Parotis repräsentieren 3 Pro- zent der in der Kopf-Hals-Region und 80 Prozent aller in den Speicheldrüsen vor- kommenden Tumoren. Da vier Fünftel des parotidealen Parenchyms oberhalb des Fazialisnervs liegen, treten 90 Prozent der Neubildungen im oberflächlichen Lappen auf, davon befinden sich wiederum 90 Pro- zent im unteren Pol [Larian, 2016]. 60 bis 80 Prozent dieser Neoplasien sind als benigne zu klassifizieren [Chulam et al., 2013]. Darunter stellt das Zystadenolymphom (Warthin-Tumor) mit einer Häufigkeit von 15 Prozent nach dem pleomorphen Adenom die zweithäufigste Entität dar. Weniger als 10 Prozent der Warthin-Tumore treten außerhalb der Parotis auf [Chulam et al., 2013], davon finden sich 7,6 Prozent innerhalb cervicaler Lymphknoten und 2,3 Prozent in der Glandula submandibularis [Orabona et al., 2015]. Große Kontroversen bestehen über den Ur- sprung der Entität. Im Jahr 1895 beschrieb Hildebrand weltweit erstmals einen Fall des heute als Zystadenolymphom bekannten Tumors, den er der Kategorie der lateralen Halszysten zuordnete. Namensgebend war schließlich jedoch der Amerikaner Warthin im Jahr 1929 mit der Veröffentlichung zweier Fallberichte [Teymoortash, 2013]. Die Pathogenese des Zystadenolymphoms wird kontrovers diskutiert. Vermutet wird heterotop vorkommendes Speicheldrüsen- gewebe innerhalb parotisnaher Lymph- knoten [Chedid et al., 2011; Orabona et al., 2015]. Durch das Fehlen einer vollständigen Kapsel können sich Lymphknoten- und Speicheldrüsengewebe innerhalb der Em- bryonalperiode vermischen, wobei das kon- sistente Vorkommen lymphatischer Sinus – als spezifische Komponente von Lymph- knoten – im Warthin-Tumor die Hypothese der intranodalen Entstehung unterstützt. Hierdurch lässt sich das im Bereich benigner Tumore äußerst atypische Auftreten tumo- röser Absiedlungen innerhalb lymphatischer Gewebe, wie es in diesem Fall dargestellt wurde, erklären. Die Polyklonalität der epi- thelialen und lymphatischen Elemente legt die nicht-neoplastische Herkunft der Läsion nahe [Teymoortash, 2013]. In bis zu 14 Pro- zent der Fälle tritt das Zystadenolymphom bilateral auf und stellt mit einem Anteil von 12 bis 20 Prozent den am häufigsten multi- fokal vorkommenden Speicheldrüsentumor dar [Sayar et al., 2012]). Rauchen – wie im vorliegenden Fall – ist als signifikanter Risikofaktor für das Auftreten von Warthin- Tumoren bekannt [Orabona et al., 2015], während Autoimmunität und Infektionen mit dem EBV-Virus weiterhin als ätiopatho- genetische Ursache in Betracht gezogen werden [Orabona et al., 2015]. Ein epide- miologisch gehäuftes Auftreten findet sich bevorzugt bei Männern (Verhältnis der Erkrankungen bei Männern und Frauen 4:1) in der sechsten bis siebten Lebensdekade [Chulam et al., 2013]. Histopathologisch ist eine epitheliale Kom- ponente papillärer Struktur mit zwei Reihen onkozytärer Zellen umgeben von zystischen Räumen und ein variabler Stromaanteil mit lymphatischem Gewebe ähnlich dem eines Lymphknotens mit Keimzentren zu sehen [Chulam et al., 2013]. Hierbei ist der diffe- renzialdiagnostische Ausschluss eines papil- lären Zystadenoms, einer lymphoepithelialen Zyste oder Sialadenitis, eines MALT-Lym- phoms oder einer Metastase extraglandulä- ren Ursprungs, besonders der des papillären Schilddrüsen-Karzinoms bedeutend. Im Fall metaplastischer Raumforderungen sollten auch Plattenepithel- oder Adenokarzinome als Ursache bedacht werden [WHO, 2005]. Abbildung 4: Klinischer Situs: präaurikulärer Zugang (OP Kämmerer) Abbildung 5: Klinischer Situs: Die kranial gelegene Raumforderung wird von Ästen des N. facialis umschieden. \ Das Zystadenolymphom (Warthin- Tumor) stellt die zweithäufigste in der Parotis vorkommende Tumorentität dar. \ Das MRT ist das diagnostische Mittel der Wahl. \ Bei bildgebend unklarem Befund sollte eine laterale Parotidektomie aus diagnostischer Indikation erfolgen. \ Häufig besteht ein syn- und meta- chrones multizentrisches Auftreten. \ Die lymphatische Lokalisation des Zystadenolymphoms sollte nicht mit einer Metastasierung des benignen Tumors verwechselt werden. Fazit für die Praxis Abbildung 6: entnommenes Präparat (kranial gelegene Raumforderung) 100 Zahnmedizin

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