Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20
zm 108, Nr. 20, 16.10.2018, (2395) Eigenbrodt hat in seiner Kreuzberger Praxis dafür alles hinterfragt, jedes Detail seiner zahnärztlichen Denk- und Arbeitsweise. „Alles wurde umgekrempelt, jeder Arbeits- schritt skelettiert, jeder Vorgang beleuchtet. Da blieb kein Stein auf dem anderen“, sagt er. Am Ende des Prozesses steht dann die Gemeinwohlbilanz. Von Januar bis Juni 2018 unterzog der Berliner Zahnarzt sich dem notwendigen Prozedere, die Jahre 2015 bis 2017 mit den Matrix-Kriterien zu unter- suchen. Ergebnis: Er kommt auf 428 von 1.000 möglichen Punkten. Eigenbrodt ist Überzeugungstäter: Bereits 2015 erstellte er den Bericht. Den aktuellen stellte er wie den vorherigen auf seine Homepage. Das brachte ihm beim Unter- suchungsindikator Transparenz einige Plus- punkte. Auch, dass er den Umsatz mit angab: 900.000 Euro pro Jahr weist der 90-seitige Bericht aus. Der Gewinn aller- dings bleibt Geschäftsgeheimnis. „Wie ethisch ist Dein Beschaffungsmanagement?“ Beim Untersuchungsindikator „Ethik des Beschaffungsmanagements“ beispielsweise geht es laut Handbuch der GWÖ um die unternehmerische „Verantwortung für die vorgelagerten Wertschöpfungsschritte“. Ein Blick in Eigenbrodts Bericht offenbart: Seine Praxis verwendet zu 100 Prozent Ökostrom. Er arbeitet mit keinem Dentallabor aus dem Billiglohn-Ausland zusammen, son- dern hat ein eigenes Dentallabor mit einer angestellten Zahntechnikerin. Die hat er aus einer prekären Situation in einen sozial- versicherungspflichtigen Job transferiert, ist im Bericht zu lesen. Das Labor ist im selben Gebäude, „das garantiert kurze ökologische Wege“. Der Kaffee für Patienten und Mit- arbeiter ist aus fairem und ökologischem Anbau. Die digitale Röntgenanlage ist mit Speicherfolie versehen, das trägt zur geringstmöglichen Strahlendosis bei. In der Praxis wird möglichst doppelseitig gedruckt, das spart Papier, ein E-Auto wurde geleast, 95 Prozent der Dienstfahrten erledigt der Chef ohnehin mit dem Praxisfahrrad. Die Materialbestellung erfolgt über ein Dental- unternehmen, das einen Wertekanon be- sitzt, Büromaterial wird bei einem nach- haltigen Anbieter geordert. Ein anderes Kriterium des Fragenkatalogs: faire Beschäftigungs- und Entgeltpolitik. Eigenbrodts Mitarbeiter erhalten 20 bis 25 Prozent mehr als die Tarifverträge vorsehen, so der Bericht. Der durchschnittliche Brutto- monatsverdienst der angestellten Mitarbeiter beträgt 3.067 Euro, eine Betriebsrente be- kommen alle Mitarbeiter, die die Probezeit Die Idee der Bewegung laut „Handbuch zur Gemeinwohl-Bilanz“ von 2015: „Der Finanzgewinn wird nur in Geld gemessen und Geld kann nur Tauschwerte messen, jedoch keine Nutzwerte – deren Verfüg- barmachung und Verteilung doch der eigentliche Zweck des Wirtschaftens ist. Finanzgewinn ist in der Gemeinwohl- Ökonomie nur noch Mittel zum Zweck. Mit der Gemeinwohlbilanz wird endlich das gemessen, was wirklich zählt.“ Initiiert wurde die GWÖ 2010 von dem Österreicher Christian Felber, freier Autor und Mitbegründer der österreichischen Attac-Bewegung. 2010 schrieb Felber das Buch „Die Gemeinwohl-Ökonomie“, die Initiative schloss sich in einem Verein zusammen und finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge. Diese betragen 60 Euro im Jahr für Privatpersonen, 100 Euro bis 2.500 Euro für Unternehmen und Organisationen, abhängig von der Mitarbeiterzahl; hinzu kommen nach An- gaben des Vereins anteilige Einnahmen von Beratern, Auditoren und Spenden. Mittlerweile haben sich der Initiative nach eigenen Angaben 2.200 Unternehmen, über 160 Organisationen und über 9.000 Personen angeschlossen. Darunter auch so bekannte Unternehmen wie Vaude, oder die Sparda Bank München. \ Was ist Gemeinwohl-Ökonomie?
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