Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20
zm 108, Nr. 20, 16.10.2018, (2322) beobachten könne, in denen nicht die Ärzte, sondern die kaufmännische Leitung über zum Beispiel das Fabrikat der zu verwendenden Hüftgelenkprothesen ent- scheide. Moderator Dr. Schinnenburg musste nicht lange auf Fragen des zumeist zahnärzt- lichen Auditoriums warten. Colosseum- Managerin Steinmeier sah die Sorgen um die Therapiefreiheit als unberechtigt an. „Bei uns entscheidet der Zahnarzt – nicht der Controller“, sagte die Betriebswirtin und pries besonders die Vorteile für junge Kollegen und Kolleginnen an, die sich bei Colosseum bieten würden. Die Skepsis im Publikum konterte Steinmeier mit der Bemerkung „Wir kaufen nur diejenigen, die auch mit uns in die Zukunft wollen“ – es werde also niemand gezwungen, für Colosseum zu arbeiten. „Wir kaufen nur die, die mit uns in die Zukunft wollen“ Auch die Rekrutierung von nicht-zahnärzt- lichen Mitarbeiterinnen wurde diskutiert. Konstantin v. Laffert äußerte die Befürch- tung, dass die großen Ketten den mühsam in den Praxen ausgebildeten und qualifi- zierten Kräften finanziell bessere Angebote machen können, da die Ketten in anderen Bereichen wie dem Materialeinkauf Erspar- nisse hätten. Das könne zu einer weiteren Verschärfung der ohnehin sehr angespann- ten Personalsituation in den Praxen führen. von Colosseum habe schon auf anderen Feldern wie Zeitarbeit (Adecco) bewiesen, dass es wirtschaftlich erfolgreich arbeiten könne. Konstantin v. Laffert schilderte in seinem Eingangsstatement zunächst die gesetz- lichen Entwicklungen der vergangenen Jahre, die die Fremdkapital-finanzierten MVZ trotz eines Fremdkapitalverbots in den Berufsordnungen der Kammern überhaupt erst ermöglicht hätten. Er sprach von einer „explosionsartigen Ausbreitung“ der MVZ. Seit 2015 sei die Zahl bundesweit von 28 auf 540 im Jahr 2017 gestiegen. Er sei sich sicher, dass die schwerwiegendste Ver- änderung der Struktur der Zahnmedizin in der Bundesrepublik bevorsteht – wenn die Politik nicht regulierend einschreite. Im Hinblick auf Colosseum äußerte er die Befürchtung, dass sich deren Geschäfts- modell nur geringfügig von den Strategien riesiger Fonds wie EQT oder Investcorp unterscheiden würde. Als Beispiel führte er die Schweizer Kette „Swiss Smile“ an, die Colosseum vom EQT Fond 2017 erworben habe. „Zahnmedizin wird somit zur Handelsware“ brachte es v. Laffert auf den Punkt. Er habe Sorge, dass der Zahnarzt- beruf nicht mehr wie in den Heilberufs- gesetzen verankert eigenverantwortlich und fachlich unabhängig, sondern von wirt- schaftlichen Vorgaben der Investoren beein- flusst ausgeübt werde. „Renditegetriebene Medizin“ nannte er diese Entwicklung, die man schon in einigen Krankenhäusern Steinmeier wies daraufhin auf die geplante eigene Fortbildungsakademie hin, die Co- losseum außerdem plane. Beim Thema ländliche Versorgung betonte v. Laffert, dass etwa 80 Prozent der MVZ in den kaufkraftstarken größeren Städten angesiedelt seien. Insofern hoffe er, dass Colosseum die Pläne für die Fläche auch umsetzen werde und Wort halte. Zwischendurch musste Dr. Schinnenburg mehrfach aus der Rolle des Moderators in die des Politikers schlüpfen. Deutlich wurde, dass die FDP beim Thema Freie Berufe vs. Deregulierung innere Spannungen aushalten muss, deren Ausgang ungewiss ist. In Ihrem Schlusswort bat Cornelia Steinmeier erneut darum, dass die Zahnärzteschaft ein Modell wie das von Colosseum offen dis- kutieren und annehmen solle. Die Vorteile gerade für die vielzitierte „Generation Y“ lägen auf der Hand und man wolle gute, nachhaltige Zahnmedizin mit guten Zahn- ärzten und Mitarbeitern machen. Konstantin v. Laffert sah das erwartungs- gemäß anders. „Zahnmedizin ist kein Gewerbe! Investoren sollen nicht kaputt machen, was die Zahnärzteschaft in Jahr- zehnten durch großes Engagement an hervorragenden Versorgungsstrukturen in diesem Land aufgebaut hat. Fremdkapital in der Zahnmedizin ist weder für die Patien- tinnen und Patienten noch für die Kranken- kassen und schon gar nicht für die Zahnärzte- schaft von Vorteil“, lautete sein Resümee. et/ku/Ri Cornelia Steinmeier, Direktorin der Colosseum Dental Deutschland GmbH Konstantin v. Laffert, Präsident der Zahnärztekammer Hamburg Fotos: Eisentraut Gastgeber und Moderator Dr. Wieland Schinnenburg, MdB (FDP) 30 Politik
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