Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 108, Nr. 20, 16.10.2018, (2328) Die Unterkieferprämolaren sind zwar mehr- heitlich einwurzelig, jedoch werden relativ häufig Verzweigungen des Wurzelkanals an- getroffen. Diese Verzweigungen liegen oft im mittleren oder im apikalen Wurzeldrittel und können daher nicht durch „Lesen“ des Dentins am Kavumboden erkannt werden. Auch wenn die Röntgenbilder dieser Zähne auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen, variiert die Wurzelkanalanatomie jedoch er- heblich in der Anzahl der Wurzelkanäle. Im Fall vieler Kanäle sind diese dann sehr schwer endodontisch zu behandeln. In zwei deutschsprachigen Publikationen von Holm Reuver [Reuver, 2002a; Reuver, 2002b] konnte die Komplexität dieser Anatomien anhand klinischer Fälle und durchsichtig ge- machter Präparate von extrahierten Zähnen visuell sehr schön gezeigt werden. Erster unterer Prämolar Der erste untere Prämolar hat in der Regel nur eine Wurzel – in etwa 98 Prozent der Fälle [Cleghorn et al., 2007a]. Zwei Wurzeln sind selten (1,8 Prozent), drei Wurzeln sehr selten (0,2 Prozent). Die Zähne zeichnen sich durch ein zentral liegendes, oft ovales oder schlitzförmiges Kavum und durch einen ebenfalls ovalen koronalen Wurzel- kanalanteil aus [Vertucci et al., 2006]. Die Zugangskavität sollte länglich oval in oro- vestibulärer Richtung präpariert werden. In der Regel sind zwei Pulpahörner präsent, ein größeres bukkales und ein kleineres lin- guales (Abbildungen 1 und 2). Aufgrund der teilweise stark ausgeprägten Kronenflucht muss beim Gestalten der ovalen Zugangs- kavität ein teilweiser Verlust des vestibulä- ren, tragenden Höckers in Kauf genommen werden. Wenn das Kanalsystem koronal schwer zu finden ist, kann häufig beobachtet werden, dass der vermeintliche Kanal zu weit bukkal gesucht wird oder die Kronen- flucht nicht beachtet wurde. Die Anzahl der Wurzelkanäle in unteren Prä- molaren wurde in vielen Studien untersucht. Hier ist als erstes wieder einmal Vertucci zu nennen, der die Häufigkeit von einkanaligen ersten Unterkieferprämolaren zwischen 70 und 74 Prozent, die von zweikanaligen zwischen 25,5 Prozent und 29,5 Prozent angibt [Vertucci, 1978; Vertucci, 1984] (Ab- bildung 3). Es gibt jedoch andere Gruppen von Autoren, die von diesen Ergebnissen zum Teil erheblich abweichen. Caliskan et al. konnten inner- halb einer türkischen Bevölkerungsgruppe 47,2 Prozent einkanalige und 52,8 Prozent überwiegend zweikanalige Zähne aus einem Pool erster Unterkieferprämolaren identifizieren [Caliskan et al., 1995]. In einer jordanischen Bevölkerungsgruppe wurden 58,2 Prozent einkanalige und 41,8 Prozent zweikanalige Prämolaren gefunden [Awawdeh, Al-Qudah, 2008]. Aufgrund dieser Ergebnisse kann ein ethnischer Einfluss auf die Zahnentwicklung unterer Prämolaren vermutet werden. Anhand röntgenologischer Studien haben Trope et al. versucht, den ethnischen Einfluss auf die Wurzelkanalanatomie zu bestätigen [Trope et al., 1986]. Bei einer Stichprobe in den Vereinigten Staaten mit weißen Pro- banden hatten 86,3 Prozent der Zähne einen Kanal und lediglich 13,7 Prozent zwei Kanäle. Abweichend davon waren bei einer Stichprobe schwarzer Probanden lediglich 67,2 Prozent einkanalig und mit 32,8 Pro- zent ein erheblich höherer Anteil zwei- kanalig. Durchschnittlich waren 76,8 Pro- zent der ersten Unterkieferprämolaren ein- kanalig und 23,2 Prozent zweikanalig. Wurzelkanalsysteme – Teil 6 Die Anatomie von Unterkiefer-Prämolaren Frank Paqué, Michael Arnold Die Wurzelkanalanatomie von Unterkiefer-Prämolaren kann erheblich variieren, was deren endodontische Behandlung enorm erschwert. Im Vorfeld sollte darum immer eine gewissenhafte Diagnostik der apikalen Röntgenaufnahme erfolgen, aus der sich Hinweise auf Kanalaufzweigungen „herauslesen“ lassen. Quelle: Frank Paqué 36 Zahnmedizin

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