Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20
zm 108, Nr. 20, 16.10.2018, (2350) ein „Herauskauen“ der Geschmacksstoffe erklären. Wahrscheinlich spielt auch eine Rolle, dass sich nach wenigen Minuten zu- meist die Kaufrequenz vermindert. Um den Speichelfluss über einen möglichst langen Zeitraum deutlich zu erhöhen, wäre es vorteilhaft, wenn die Geschmacksstoffe nur sehr langsam herausgekaut würden. Metaanalyse belegt kariesprotektive Wirkung In zahlreichen klinischen Studien wurde der kariesprophylaktische Effekt von mindestens dreimal täglichem Kauen von zuckerfreien Kaugummis untersucht. Das ADA(American Dental Association)-Center for Evidence- Based Dentistry führte 2011 eine Meta- analyse dieser Studien durch und stellte fest, dass bei fünf- bis sechzehnjährigen Perso- nen das Kauen zuckerfreien Kaugummis für 10 bis 20 Minuten nach den Mahlzeiten die Kariesinzidenz verringern kann. Kaugummikauen nach den Mahlzeiten ist aber keineswegs nur für junge Menschen empfehlenswert. Bei älteren Menschen findet sich häufig eine Verminderung des Speichel- flusses, die zu zahlreichen Problemen führen und die Lebensqualität wesentlich beein- trächtigen kann. Die Prävalenz der Xerosto- mie liegt bei über 65-Jährigen bei etwa 30 Prozent und wird am häufigsten durch die Einnahme xerogener Medikamente verursacht. Kaugummikauen nach den Mahlzeiten oder auch zwischendurch zur Erhöhung des Speichelflusses kann hier eine sinnvolle und hilfreiche Maßnahme sein. Es gibt keinen speziellen Dental-Kaugummi Es finden sich keine Beweise dafür, dass be- stimmte Süßungsmittel oder andere Inhalts- stoffe in Kaugummis zu einem erhöhten karies- präventiven Effekt führen. Bezüglich der ver- wendeten Zuckeraustauschstoffe wird aufgrund einiger Studien ein möglicher Vorteil von Xylit diskutiert. Hauptsächlich werden hier- bei mögliche plaquehemmende Effekte von Xylit herausgestellt, durch die eine Karies- hemmung bewirkt werden soll [Milgrom et al., 2012]. In einer jüngeren Studie konnte allerdings kein karieshemmender Effekt von Xylit nachgewiesen werden [Bader et al., 2013]. Alle Zuckeraustauschstoffe (Polyole) wie zum Beispiel Xylit sowie Süßstoffe wie beispiels- weise Cyclamat und Aspartam wirken nicht kariogen, weil orale Mikroorganismen sie nicht oder kaum zu Säuren verstoffwech- seln. Trotz unzureichender Studienlage er- scheint es biologisch plausibel, dass das Ka- riesrisiko sinkt, wenn in nennenswertem Umfang Zucker in Nahrungsmitteln durch Zuckeraustauschstoffe oder Süßstoffe er- setzt wird [Lingström et al., 2003]. Insgesamt finden sich also keine ausreichenden Beweise für einen zusätzlich kariespräventiven Effekt bestimmter Zuckeraustauschstoffe. Für die Inhaltsstoffe von Kaugummi bedeutet dies, dass es also keinen speziellen „Dental- Kaugummi“ gibt, der einem „gewöhnlichen“ zuckerfreien Kaugummi zahnmedizinisch überlegen wäre. Die Wirkung des Kaugummi- kauens basiert auf der Speichelstimulation. Eine Stimulation des Speichels wird durch jedes Kaugummi erzielt und funktioniert umso besser, je besser das Kaugummi schmeckt und je länger es gekaut wird. Des- halb ist es wichtig zu empfehlen, besonders nach Mahlzeiten für 10 bis 20 Minuten ein zuckerfreies Kaugummi zu kauen. Fazit für die Praxis Regelmäßiges Kauen von zuckerfreiem Kau- gummi nach den Mahlzeiten hat einen kariespräventiven Effekt und ist daher Bestandteil der Basismaßnahmen zur Karies- prophylaxe – der „Genussstatus“ des Kau- gummis ist dabei hilfreich und nicht etwa hinderlich. Wenn Gesundheitsvorsorge und Prophylaxe angenehm sind und Freude bereiten, umso besser. Prof. em. Dr. Joachim Klimek war bis 2014 Direktor der Poliklinik für Zahnerhal- tungs- und Präventive Zahnheilkunde des Zen- trums für ZMK der Justus- Liebig-Universität Gießen. Zu seinen Forschungs- schwerpunkten gehören die Kariesprophylaxe und Ero- sionen der Zahnhartsubstanzen. Er war Vor- sitzender der Arbeitsgemeinschaft für Grund- lagenforschung und Mitglied des Executive und des Advisory Council der ORCA (Europäi- sche Gesellschaft für Kariesforschung). Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Porträt: privat Abbildung 1: Beim Kaugummikauen läuft einem im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser im Mund zusammen. Kaugummi mit Geschmack stimuliert den Speichelfluss deutlich stärker als neutrale Kaugummi-Basismasse. Quelle: Dawes and Macpherson, 1992 58 Zahnmedizin
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