Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20

zm 108, Nr. 20, 16.10.2018, (2370) Trümmern. Diese können tief in die Gesichtsweichgewebe und knöchernen Regionen eindringen. In diesem Fall dürfen die Fremdkörper auf keinen Fall vor Ort entfernt werden, weil dadurch wichtige Strukturen verletzt beziehungsweise gefähr- liche Blutungen ausgelöst werden können. Entscheidend für die Identifizierung der Eindringtiefe und der Penetration der einzelnen Strukturen ist eine Bildgebung. Dies ist wichtig zur weiteren Therapie- entscheidung [Reginelli, 2014]. Die Durchführung einer computertomo- grafischen Diagnostik ist zur Darstellung des Fremdkörpers sowie zur Identifizierung der Weichgewebsverletzung hilfreich [Shuker et al., 2012; Dunya, 1995]. Artefakte, die auf- grund des Fremdkörpers entstehen, können die Beurteilung aber auch erschweren. Für Fremdkörper, wie zum Beispiel Schrap- nellverletzungen, ist der optimale Zeitpunkt der Fremdkörperentfernung innerhalb der ersten 24 bis 48 Stunden, denn bei Verzö- gerungen kann es zur Bildung einer Fibrin- kapsel kommen, die die Fremdkörper-Ent- fernung erschweren kann. Allgemein gilt jedoch, dass bei jeder penetrierenden Ver- letzung von Fall zu Fall entschieden werden muss, wann der Fremdkörper entfernt wer- den soll. Denn häufig hat der Patient nicht nur die Fremdkörperverletzung, sondern noch weitere Begleitverletzungen, die mög- licherweise lebensbedrohlich sein können. Hier muss vordergründig die Stabilisierung der lebenswichtigen Funktionen des Patien- ten erfolgen [Koch et al., 2016]. Bei großer Gewalteinwirkung sollten immer eine Fraktur im Bereich des Orbitabodens und ein Retrobulbärhämatom ausgeschlossen werden. Kommt es bei einer Orbitaboden- fraktur zu Doppelbildern, Motilitätsein- schränkungen aufgrund einer Einklemmung des Musculus rectus inferior im Bruchspalt mit einhergehender Schielstellung nach unten und Einschränkung der vertikalen Blickbewegung, so besteht eine dringliche Indikation zur operativen Versorgung der Orbitabodenfraktur. Die Indikation der Operation richtet sich nach dem Frakturausmaß und den Symp- tomen des Patienten. Bei bestehendem orbitokardialem Reflex (Bradykardie, Hypo- tonie, Nausea und pathologisch vertiefter Atmung) besteht eine sofortige OP-Indi- kation [Gahlen, 2016]. Bei Symptomen wie dem Vorliegen eines Bulbustief- oder -hochstands, Enophthalmus, Exopthalmus, Gewebeprolaps sowie bei großflächigen Defekten, Doppelbildern oder einer per- sistierenden Hypästhesie kann der Schwel- lungsrückgang abgewartet und innerhalb von zwei Wochen die Primärversorgung der Fraktur durchgeführt werden [Burnstine, 2003]. Zur Rekonstruktion des Orbitabodens exis- tiert eine Vielzahl unterschiedlicher Materia- lien [Strong, 2014]. Kleinere Defekte kön- nen nach der Reposition des prolabierten Weichgewebes aus der Kieferhöhle mittels einer resorbierbaren Folie (z. B. PDS-Folie) versorgt werden. Größere Defekte können zum Beispiel mittels Titan-Mesh oder indi- viduell hergestellten patientenspezifischen Implantaten überbrückt werden [Metzger et al., 2006]. Epidemiologische Daten zu Augenlidverlet- zungen in Kombination mit Orbitaboden- frakturen sind selten zu finden. In einer retrospektiven Studie von Herzum et al. [2001] konnte eine Beteiligung des Orbita- bodens in nur 2,2 Prozent der Fälle aufge- zeigt werden. Eine Tränenwegsbeteiligung Postoperative Röntgenkontrolle coronar mit suffizient einliegendem Titan-Mesh in der rechten Orbita Fotos: Sander Postoperative Röntgenkontrolle sagittal mit suffizient einliegendem Titan-Mesh 78 Zahnmedizin

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=