Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 20
zm 108, Nr. 20, 16.10.2018, (2380) steht. Aber wie steht es mit einem maroden Frontzahn, der am folgenden Tag auf dem Hochzeitsbild möglichst nicht fehlen soll? Welche Kompromisse dürfen wir eingehen ohne die hier – im juristischen Sinn – nicht geltenden Leitlinien zu verlassen, die aber doch unser Gewissen bestimmen? Das Gebot des Nichtschadens Das Gebot nicht zu schaden stellt gewisser- maßen die andere Seite des Gebots des Wohltuns dar. Schaden bedeutet, über das Ziel hinausschießen, also Behandlungsmaß- nahmen durchzuführen, die unangemessen sind, die letztlich mehr schaden als nutzen, die nicht altersgerecht oder vom Aufwand her nicht zu verantworten sind. Nicht schaden – diese Forderung führt vor allem dann zum Konflikt zwischen Patient und Behandler, wenn unterschiedliche Vorstel- lungen bestehen über Materialien, Methoden, ästhetische Vorstellungen oder präventive Maßnahmen zur Mundhygiene, oder wenn die finanziellen Mittel für eine notwendige Behandlung nicht vorhanden sind. Das Gebot nicht zu schaden findet seine An- wendung bei einem Einsatz vor allem in der Prävention. Prävention schadet nie, ist aber ein Prozess, den wir bei einem Einsatz in wenigen Wochen nicht installieren können. Daher ist es umso dringlicher, dass wir uns hier um nachhaltiges Handeln bemühen und einheimische Mitarbeiter schulen und einbinden. Das einmalige Verteilen von Zahnbürsten und Zahnpasta ist wichtig, aber nur der Beginn eines langen Weges. Wenn möglich sollte Prävention in der Zahnheilkunde auch nicht als isoliertes Programm initiiert werden. Mundhygiene gehört zur allgemeinen Körperhygiene und sollte so früh wie möglich ritualisiert ab- laufen. Dazu müssen wir zuerst die Eltern aufklären und ihnen die Problematik so dar- stellen, dass sie selbst als Vorbild voran- gehen – eine gewaltige Aufgabe, die wir selbst nicht vermitteln oder umsetzen kön- nen. Aber wir können als Zahnärzte unsere fachliche Autorität in die Schulung von Mit- arbeitern einbringen, den Schulterschluss mit den Ärzten suchen und so die Mund- hygiene als Teil einer Lerneinheit zum Bei- spiel in der Schule installieren. Jedes Kind sollte mehrfach in der Grundschule oder bei anderer Gelegenheit wie während einer Aktionswoche einer Sozialstation die ent- sprechenden Informationen bekommen: Zähneputzen, Zahnpasta, Ernährungslen- kung, Kontrolle durch eine kompetente dentale Fachkraft und Fissurenversiegelung mit strenger Indikation. Das Gebot des Nichtschadens hat noch andere Seiten. Da unter den speziellen Umständen eines zahnärztlichen Einsatzes kaum eine Übertherapie erfolgen wird, liegt die Problematik eher in der sehr reduzierten Befunderhebung. Es gibt zwar mobile Rönt- gen-Scanner – doch wer setzt diese für kurze Zeit im Ausland ein, ganz abgesehen von Kosten, Transport und Genehmigungen. Die Reduktion auf den „klinischen Blick“, die Vorgeschichte, den manuellen Befund sowie die berufliche Erfahrung schließt eine falsche Entscheidung nicht aus. Daher ist es sehr ratsam, den Kontakt zu einem Kranken- haus oder einer radiologischen Praxis her- zustellen, um im Notfall auch aktuelle Röntgenbilder zu bekommen. Und wie steht es mit der Hygiene? Hier sind wir herausgefordert. Wie kontaminationsfrei arbeiten wir selbst? Halten wir die Standards selbst ein, die wir von unserem Hilfspersonal verlangen? Sind unsere Anleitungen zur Aufbereitung der zahnärztlichen Instrumente klar und verständlich, die Geräte in Ordnung, das Verfallsdatum der Chemikalien noch nicht abgelaufen, die Konzentrationen für die Anwendung passend? Dabei sollten wir auch die klimatischen Verhältnisse berück- sichtigen, die eventuell einschränkend wir- ken. Am besten macht man eine Bestands- aufnahme, beginnend mit dem Raum und den Geräten, mit den Instrumenten, deren Lagerung, den Materialien und dem Vorrat. Auch die Keimbelastung des Wassers lässt sich einfach prüfen, gegebenenfalls muss dieses aufbereitet oder beschafft werden. Das Gebot zur Fairness Das Gebot zur Fairness ist das Gegenstück Eine Grundschulklasse beim Unterricht über Prävention: Demonstration am Zahnmodell – jeweils in Spanisch und in Tutunacu – und Putzinstruktionen mit Zahnbürste und Zahnpasta. Oft waren wir die ersten Zahnärzte, die die Indigenen behandelt haben – Behandlung in Geborgenheit.
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