Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 108, Nr. 21, 1.11.2018, (2438) Anbindung an die TI – Ein No-Go für die Praxis \ Zum Beitrag „Anbindung an die Telematikinfrastruktur: Zahnärzte und Ärzte fordern Fristverlängerung per Petitition“, zm 19/2018, S. 10–11. Warum traut sich keiner der Ver- antwortlichen, die TI aufzuhalten? Oder muss inzwischen alles die Presse aufdecken? Auch ich war so doof und habe erst mal die TI umgesetzt, aus lauter blinder Hörigkeit! Nun habe ich seit vier Monaten die TI in meiner Praxis und damit Probleme, die ich vor- her nicht hatte, eingeführt. Es vergeht kein Tag, an dem ent- weder Patienten die „falsche“ Karte (also G1 statt G2) mit- bringen und wir mit ihnen diskutieren müssen, dass sie sich mit ihrer Versicherung in Verbindung setzen müssen und wir dann dem Versicherungs- nachweis hinterherlaufen dür- fen. Vorher war es egal, welche Karte kam. Wir sind inzwischen vollständig vom Internet abhän- gig. Vorher konnte das Internet ausfallen und wir dennoch wei- terarbeiten und die Karten ein- lesen. Erstmal nicht weiterarbei- ten konnten wir auch, als über Nacht Zertifikate – in meinem Fall der CGM [CompuGroup Medical] – eingespielt wurden. Die haben über Nacht ihr Up- date geladen, natürlich ohne mich zu fragen. Und weil bei uns nachts der Strom ausgeschaltet wird, wird nichts hochgeladen. Meine Mitarbeiterin geht dann täglich online auf Zertifikatsuche, um sie händisch einzupflegen. Auch der Telefonsupport der CGM ist eine Zumutung – unsere Telefonleitung wird teilweise über Stunden geblockt und man bekommt nur Ausreden statt eine wirkliche Hilfestellung. Meine Mit- arbeiterin reagiert inzwischen völlig allergisch und genervt, wenn sie mal wieder mit der CGM sprechen muss, wenn wir mit unserem bisher Erlernten nicht weiterkommen. Warum die KZV hierfür monatlich 82 Euro zahlt, erschließt sich mir nicht. Das alles ist für eine Praxis ein No-Go!!!! Nach Rücksprache mit meiner KZV wollte keiner zuständig sein, trotz „vollstem“ Verständnis werde ich als Be- handler damit allein gelassen. Zudem halten wunderbar alle die Hand auf. Jede Praxis soll zukünftig nicht nur die Kosten für die Erstinstallation, sondern auch alle Folgeprobleme selber lösen und dafür zahlen. Zwar be- kommt man ein Teil der Kosten – je nachdem, wann man es um- setzt – zurückerstattet, aber was ist mit den Alltagsproblemen und den Kosten, die nicht num- merisch erfasst werden? Zusätzlich gibt es konkrete Kosten wie die für mein Abrechnungsprogramm (ivoris). Für die Erstinstallation verlangten sie rund 350 Euro, dann als monatlichen Telematik- Support (?) 17,85 Euro und weil mit der TI ein neues Modul von Ivoris freigeschaltet wurde, wird mir gleich ein Neuvertrag für alle vorherigen Module mitverkauft, so dass ich nun jährlich auf circa 400 Euro Kosten sitzen bleiben soll. Fairerweise muss man sagen, dass der Support der Mitarbeiter von Ivoris in ihrem Abrechnungs- programm unschlagbar ist, aber im Bereich TI? Hier scheint die CGM bessere Lobbyarbeit ge- leistet zu haben, denn die kriegt für viele ungelöste Probleme und einen miserablen Support mehr als das Vierfache durch die KZV/ KV finanziert. Beeindruckend! Interessant ist, dass keiner ehr- lich und offen seine Meinung dazu sagen will, obwohl jeder, mit dem ich gesprochen habe die Sinnhaftigkeit infrage stellt – aber bitte nicht offiziell! Die Einzigen, die klar zu profitie- ren scheinen, sind Firmen wie CGM und Konsorten und natür- lich die Versicherungen, denen es sicher nicht um den Schaden geht, der durch Missbrauch von Versicherungskarten ausgelöst wird, denn dieser begründet in keiner Weise die nun laufenden Milliardenkosten für die TI!!! Dann noch ein wichtiges Thema: Ohne Wissen und Zustimmung des Praxisinhabers werden Inhalte über die Schnittstelle der Telematik hoch- geladen. Es kann nicht in Ordnung sein, dass der Inhaber außen vor gelassen wird, ohne sein Wissen Zertifikate eingespielt werden, die was auch immer tun dürfen! Wie kann das rechtlich gehen? Wo ist da Transparenz und wer haftet im Schadensfall? Ja klar – der Inhaber der Praxis! Dazu sage ich genauso klar: NEIN! Hier besteht dringen- der Handlungsbedarf aufseiten unseres Berufsverbands, der Kammer und der Politik! Dr. Mazloumi, Ditzingen Klinisch-ethische Falldiskussion – Das eigentliche Dilemma \ Zum Beitrag „Die klinisch-ethische Falldiskussion: Therapieentscheidung pro Finanzen oder pro Patient?“, zm 17/2018, S. 72–76. Der Artikel zeigt, wohin der kauf- kraftbezogene Gebühren- und Honorarverfall der letzten drei Jahrzehnte geführt hat: zur rou- tinemäßigen Überkronung nicht überkronungsbedürftiger Zähne. Auch explodierende Hygiene- kosten – mit teuren jährlichen Validierungen – haben dazu bei- getragen, dass Befunde und Therapien allzu oft aufgeblasen werden. Es entsteht Überversor- gung, die zuweilen an Körper- verletzung grenzt. Viele Praxen/ MVZ erwirtschaften nur noch dann hohe Gewinne, wenn sie nicht nur die Patientenzahlen erhöhen (Werbung), auch mit gekauften Spitzenbewertungen im Netz, sondern eben auch überversorgen. Mit „Zahnheilkunde“ imWortsinn hat das nichts mehr zu tun, im Gegenteil. Sinnvolle, aber hoff- nungslos veraltete und unter- bewertete GKV-Endodontie und GKV-Parodontologie bleiben dabei leider auf der Strecke, alles geht nur noch privat oder unter- bleibt (Extraktionen). Das ist aber sehr unethisch. Das eigentliche Dilemma dieses Falls ist nicht der Konflikt Chef – Assistentin, sondern der Zwang zu unrealistischen Stundenumsätzen in unnötig teuren Praxen (bspw. 400,- Euro). Das ärztliche Ethos ist schon lange auf der Strecke ge- blieben, Solidargemeinschaft und Patienten sind die Leidtragenden. Maßhalten ist in der Zahnheilkunde aus dem Blick geraten, in diesen so umsatzfixierten Zeiten. Dr. Paul Schmitt, Frankfurt am Main 10 Leserforum

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