Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21
zm 108, Nr. 21, 1.11.2018, (2446) verschiebung zugunsten Einzelner wird somit sicher vermieden. Finanzbedarf, der über das Eigenkapital hinausgeht, wird klas- sisch durch Banken finanziert. Die Genossen gehen also bewusst selbst ins Risiko. Wann geht es los? Steht der Zeitplan? Beckmann: Wir betreten Neuland und wol- len deshalb Schritt für Schritt vorgehen. Angedacht ist, Anfang 2019 mit den ersten Praxen zu starten und je nach Resonanz im Laufe des Jahres um drei bis vier Praxen zu erweitern. Nach den ersten Erfahrungen werden wir dann entscheiden, mit welcher Geschwindigkeit die Genossenschaft weiter wächst, ohne dass wir den Grundsatz der Betreuung vor Ort gefährden. Können Sie die Zahnärzte überzeugen? Timmermeister: Die Resonanz auf unser Modell hat unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen: Kollegen aus dem persönlichen Umfeld wollten sofort Genossen werden! Von vielen Seiten wurden uns aktiv Praxen vorgeschlagen! Noch erfreulicher ist aber, dass auch „junge“ Angestellte, denen wir unser Modell persönlich vorgestellt haben, diesen Weg aktiv mit uns gehen wollen. Natürlich gibt es auch skeptische Stimmen, die in uns Konkurrenz wittern – hierzu muss aber gesagt werden: Wer die aktuelle Markt- situation kennt und auf die kommenden Jahre extrapoliert, stellt fest, dass ein Genos- senschaftsmodell ein lang überfälliges Binde- glied der zahnärztlichen Versorgung darstellt und uns eine Möglichkeit an die Hand gibt, auf die aktuellen Herausforderungen zu rea- gieren. Außerdem ist unser Modell ja nicht „exklusiv“: Jeder ist willkommen! Auf der Website der ZvO heißt es, sie biete „das Beste aus beiden Welten“ – dem klassischen Angestelltenverhältnis und der Niederlassung. Was ist denn „das Beste“? Timmermeister: Die bisherigen Möglichkeiten des Berufsbetätigungsfeldes als Zahnarzt bildeten mit Anstellung und Niederlassung zwei Extreme. Ist die Anstellung mit nur geringem Risiko, aber auch geringen Ausgestaltungsmöglich- keiten verbunden, trägt der niedergelassene Zahnarzt sowohl Kosten als auch Verant- wortung allein. Er hat dafür aber auch den wesentlich größeren Spielraum, was die Umsetzung der eigenen Vorstellungen an- geht. Unser Ziel ist, das verminderte Risiko einer Anstellung mit der größeren Freiheit einer Niederlassung in Einklang zu bringen. Ehrlicherweise muss man natürlich sagen, dass das tatsächliche Risiko einer Nieder- lassung „gefühlt“ höher ist als es meist tat- sächlich ist. Und auch die Ausgestaltungs- möglichkeiten innerhalb eines Anstellungs- verhältnisses können von Arbeitgeber zu Arbeitgeber stark variieren. Während mei- ner eigenen Anstellungszeit habe ich den Gestaltungsrahmen meist als sehr eng empfunden. Dies war zum einen schlicht- weg der knappen Zeit geschuldet, die für Abstimmungsprozesse mit meinem Chef zur Verfügung stand, und zum anderen in unterschiedlichen Interessen und Erfahrungs- werten begründet. Im Unterschied dazu bietet die ZvO eG völ- lig andere Bedingungen: Hier haben wir Zeit, uns mit Initiativen und Vorschlägen der Kollegen zu beschäftigen, so dass der Impuls zur Eigeninitiative nicht im turbulenten Praxisalltag zwischen zwei Behandlungen er- stickt wird. Ebenso wenig wird ein Festhalten an Gewohnheiten zum Hemmschuh, da der Praxisabgeber nicht mehr das operative Ge- schick der Praxis steuert. Mögliches Konflikt- potenzial, wie es im Chef-Angestellten-Ver- hältnis häufig zu beobachten ist – aufgrund des unterschiedlichen Alters, der Erfahrung oder auch des Status –, hat somit keinen Ein- fluss auf Entscheidungen und Prozesse. Damit steht die ZvO eG für ein Angebot, das für junge Zahnärztinnen und Zahnärzte das Beste aus zwei Welten verbindet: Die Vorteile der angestellten Tätigkeit – weit- gehende Freiheit vor bürokratischen Belas- tungen, Zeit für fachliche Entwicklung und Erfahrung, kein eigenes finanzielles Risiko, Möglichkeit des Stellenwechsels und der Teilzeitbeschäftigung mit erfahrenen, leicht erreichbaren zahnärztlichen Beratern im Hintergrund. Und die Vorteile der eigenen Niederlassung – Führung einer Praxis als zahnärztlich Verantwortlicher mit eigenem Team, Entwicklung und Umsetzung von eigenen Behandlungskonzepten, Führung und Begleitung von Patienten über alle Behandlungsabschnitte. Die ZvO wird auch mit MVZ zusammenarbeiten. Wie unterscheidet sich das von Angeboten der Investoren-MVZ? Beckmann: Wir bieten einen Schritt in Richtung eigene Niederlassung an. Das liegt nicht im Fokus anderer Strukturen. Wir wol- len kein Rendite-orientiertes Kapital parken, nehmen im Gegenteil selbst Kredite auf und müssen dafür am Markt bestehen. Wir bringen eigenes zahnmedizinisches Know- how mit und bieten damit ein Angebot „von Zahnärzten für Zahnärzte“. Wie unterscheidet sich Ihr Konzept von den Vorhaben der apoBank oder der ZA eG? Beckmann: Nach unserem Kenntnisstand regt die apoBank ein Leasing-Modell an. Die von apoBank-Chef Ulrich Sommer prä- sentierten Vorstellungen gehen von einer neuen betriebsfertigen Praxis aus, die ein Zahnarzt leasen kann. Das ist Niederlassung mit reduziertem Finanzierungsrisiko, aber voller unternehmerischer Verantwortung inklusive Backoffice-Belastung. Die ZA eG denkt über ein ähnliches Konzept neuer Praxen in Ballungsräumen mit Auslagerung von Backoffice-Aufgaben nach. Beide Mo- delle können auch einen Beitrag zur Problemlösung darstellen, unterscheiden sich aber entscheidend vom Modell des in „eigener“ Praxis tätigen Angestellten. ? ? ? ? ? Dr. Art Timmermeister ist seit 2014 in Bielefeld niedergelassen. Seit 2017 ist er 2. Vorsitzender des Bundesverband der zahnmedizinischen Alumni (BdZA e.V.). Porträt: privat 18 Politik
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