Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 108, Nr. 21, 1.11.2018, (2448) Wie laufen Übernahme und Fortbetrieb einer Praxis genau ab? Beckmann: Die Praxen unserer Genossen- schaft werden nach einem definierten Standard und unter Berücksichtigung der aktuellen Vorgaben ausgestattet, aber nicht „luxussaniert“. Für die Anstellung der Kolle- gen wird die ZvO eG je Standort ein Z-MVZ gründen. Angestrebt wird, die bewährten Mitarbeiter der Praxen zu übernehmen und den Patienten so „ihre bekannte Praxis“ zu erhalten. Das Expertenteam der Genossen- schaft wird die angestellten Zahnärzte und Mitarbeiter fachlich begleiten. Das betrifft Fallplanungen, Kommunikation, fachliches Know-how und Teambuilding. Dafür werden Kollegen und Berater täglich zur Verfügung stehen: teilweise über moderne Kommuni- kationsmedien, teilweise auch direkt vor Ort in der Praxis. Selbstverständlich stellen wir gerade zu Beginn die jungen Kollegen von jeglicher Bürokratie frei. Wer sich als Vorbereitung für die eigene Niederlassung hier einarbeiten will, wird gerne unterstützt. Die Zusammen- arbeit ist so angelegt, dass angestellte Kollegen „ihre“ Praxis später übernehmen oder sich selbst an einem anderen Standort niederlassen können. Wie sind die Gründer aufgestellt und welchen Hintergrund bringen sie mit? Beckmann : Einige von uns bringen genos- senschaftliche Erfahrung aus einer bereits bestehenden zahnärztlichen Genossenschaft in Westfalen-Lippe (ZAG-WL eG) ein. Andere haben sich seit Jahren intensiv mit dem Generationsübergang in der Zahnmedizin beschäftigt. Hinzu kommt Sachverstand für das Praxismanagement, die Ökonomie und Jurisprudenz. Alle Mitglieder sind selbst im Projekt aktiv. Wir sind deshalb auch nicht als mitglieder- starke Basisorganisation angelegt, sondern als ein Team, das junge Zahnärztinnen und Zahnärzte in einem Schritt ihrer beruflichen Entwicklung nachhaltig unterstützen möchte. Wo verläuft die Grenze zwischen unternehmerischer Selbstbestimmung und Angestelltenstatus der angestellten Zahnärzte? ? ? ? Timmermeister: Nach unserem Verständnis von Zahnmedizin — unabhängig ob deren Ausübung angestellt oder niedergelassen erfolgt – werde ich als Zahnarzt immer Verantwortung für die Dinge übernehmen müssen, die das Wohl meiner Patienten betreffen. Hierzu zählen neben der eigent- lichen Therapiedurchführung immer auch Aufgaben wie Hygienemanagement, Ab- rechnung etc. pp. Wo die Grenze verläuft, ist keine Frage der internen Praxisrichtlinien oder gesetzlichen Anforderungen, sondern muss durch die eigenen moralischen An- sprüche definiert werden. Fremdinteressen dürfen kein Maßstab werden. Die ZvO eG will einen Rahmen bieten, diese Grundwerte mit ihren Mitarbeitern zu bestimmen und zu leben. Die große Herausforderung hierbei ist aller- dings, dass ich als Behandler nach dieser Auf- fassung Aufgaben verantworte, von denen ich unter Umständen (noch) nichts verstehe beziehungsweise die ich nie gelernt habe. Und genau hier liegt die Stärke unseres Mo- dells: Durch die verschiedenen Kompeten- zen gibt es in jedem Bereich Experten, die mir erklären können, wie etwas funktioniert und die sich darüber hinaus die Zeit nehmen, sich mit der aktuellen Entwicklung oder den Anforderungen der Praxis auseinander- zusetzen. Natürlich werden unsere Ange- stellten Weisungsbefugnisse gegenüber dem Praxispersonal haben. Viel wichtiger als das ist aber die gelebte Praxis – und hier unter- stützen wir auch in allen Belangen der Per- sonalführung die persönliche Entwicklung von Beginn an! Ähnlich verhält es sich auch in puncto Inves- titionen. Diese werden gemeinschaftlich zahnärztlich durch die Genossenschaft ge- tragen. Am Ende müssen diese Gelder aber natürlich auch gemeinschaftlich erwirt- schaftet werden. Daher ist es ein ureigenes Interesse der Genossenschaft, dass die struk- turellen Voraussetzungen – wie beispiels- weise Behandlungseinheiten oder das Röntgen – den fachlichen Ansprüchen und Fähigkeiten unserer Angestellten entsprechen. Ein weiterer Vorteil ist, dass es innerhalb un- serer Struktur perspektivisch natürlich auch die Möglichkeit geben wird, sich „fachlich auszuprobieren“– etwa durch punktuelle Hospitationen an anderen Praxisstandorten. So können wir gemeinschaftlich „bessere“ Entscheidungen treffen. Für wen eignet sich die Anstellung bei der ZvO? Timmermeister : Grundsätzlich spricht das Modell jeden Zahnmediziner nach Abschluss der Ausbildungsassistentenzeit an. Eben weil die durch die Genossenschaft Beschäftigten in den Genuss der wichtigsten Vorteile beider klassischen Berufsausübungsformen kommen, ist „Zahnärzte vor Ort“ tatsäch- lich ein völlig neuer und vielleicht sogar optimaler Weg. Würde ich heute noch ein- mal vor der Entscheidung der Niederlassung stehen, könnte ich mir vorstellen, mich nicht alleine niederzulassen und stattdessen in einen Verbund gehen, der es mir ebenfalls ermöglicht, meinen Praxisstandort zu wäh- len und autark zu arbeiten, dies aber, ohne mich hinsichtlich organisatorischer Prozesse auf ein Einzelkämpfer-Dasein einlassen zu müssen. Das Konzept hat enormes Potenzial: Selbst ausgeprägte Unternehmertypen kön- nen in einem derart ausgestalteten Verbund besser und leichter Karriere machen als in einer Einzelpraxis. Eher sicherheitsorientier- ten Typen bietet sich die Chance, auch eine vollwertige Behandlerrolle zu übernehmen. Nicht zuletzt fördert der Genossenschafts- gedanke ganz explizit die Teilhaberschaft. „Gemeinsam sind wir stark“ ist in dieser Struktur keine Floskel, sondern Daseins- berechtigung! Eben das sprichwörtliche „Gelbe vom Ei“. Die Fragen stellte Claudia Kluckhuhn. Informationen für junge Zahnärzte unter: https://zvo-jobs. ? Dr. Wilfried Beckmann führt seit 1981 eine Privatpraxis in Gütersloh. Für die ZVO steuert er hauptverantwortlich die Ausrichtung des innovativen Gesamtkonzepts. Porträt: privat 20 Politik

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