Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21
zm 108, Nr. 21, 1.11.2018, (2462) R0-Resektion nach lateral mit 0,3 mm Sicherheitsabstand eine adjuvante Radiatio diskutiert. Trotz der ambivalenten Datenlage zur Strahlentherapie beim sekretorischen Karzinom der Speicheldrüsen wurde die Empfehlung zur adjuvanten Radiatio ausge- sprochen. Nach ausführlicher Aufklärung der Patientin und Ablehnung einer weiteren Therapie wurde sich jedoch im Konsens zur engmaschigen klinischen Nachkontrolle entschlossen. Diskussion Speicheldrüsentumore machen etwa 5 Pro- zent aller Neoplasien der Kopf-Hals-Region aus. Die Ätiologie ist bisher nicht zur Gänze geklärt, diskutiert wird der pathogene Einfluss onkogener Viren wie Eppstein-Barr- oder humaner Papilloma-Viren sowie eine Strahleneinwirkung. Epidemiologisch han- delt es sich um eine komplexe Tumorentität unterschiedlicher Primärlokalisationen mit diversen Subtypisierungen und Graduierungs- mustern, die das biologische Verhalten und Malignitätsmerkmal stark beeinflussen [Badlani et al., 2017; Mifsud et al., 2017]. Insbesondere Tumoren der kleinen Speichel- drüsen stellen differenzialdiagnostisch eine besondere Herausforderung dar, da maligne Entartungen hier mit etwa 50 Prozent über- proportional repräsentiert sind. Diese zeigen sich zusätzlich häufig hochdifferenziert mit starken entzündlichen Überlagerungen [Ihrler et al., 2018]. In der aktualisierten WHO-Klassifikation von 2017 von Kopf-Hals-Tumoren werden 20 maligne Entitäten der Speicheldrüsen aufgeführt. Hierbei wurden einige seltene undifferenzierte und neuroendokrine Kar- zinome zusammengefasst und mit dem (Mamma-analogen) sekretorischen Karzinom eine neue Entität aufgenommen [Ihrler et al., 2018]. Die Erstbeschreibung dieses Sub- typs erfolgte erstmals von der Arbeitsgruppe um Skalova et al. 2010 [Skalova et al., 2010]. Namensgebend ist die histologische und genetische Anlehnung dieser Tumoren zu sekretorischen Karzinomen der Mamma, insbesondere durch die pathognomische Gen-Translokation t(12;15)(p13;q25) und die Fusion von ETV6-NTRK3. Außerdem imponieren überlappende zytologische Features mit anderen Low-grade-Speichel- drüsenkarzinomen wie dem adenoidzystischen Karzinom oder dem Mukoepidermoidkarzinom [Gonzalez et al., 2018]. Aufgrund der schwierigen Abgrenzung er- folgte die Zuteilung bis dato in den meisten Fällen zu den „nicht näher bezeichneten Azinuszellkarzinomen“. In der Abgrenzung zu dieser Entität scheint vor allem die positive immunhistochemische Anfärbung auf Mammaglobin und S-100 von sekre- torischen Karzinomen von differenzial- diagnostischer Bedeutung [Bissinger et al., 2017; Woo et al., 2017]. Die Datenlage zu dieser „neuen“ Entität ist bis dato ambivalent und ohne eindeutige Evidenz für prognostische und therapeutische Zusammenhänge. In einem systematischen Review aus 2017 von Khalele et al. konnten weltweit nur 279 Fälle analysiert werden. Die am häufigsten betroffenen Lokalisationen scheinen die Glandula parotidea (68 Prozent), die Wan- genschleimhaut (9 Prozent), die Glandula submandiubularis (8 Prozent), Unter- (5 Prozent) und Oberlippe (4 Prozent) sowie der harte Gaumen (4 Prozent) zu sein. Andere Studien beschreiben ein gehäuftes Auftreten insbesondere in den kleinen Speicheldrüsen. Eine spezifische Geschlechter- verteilung zeigt sich nicht, der Altersgipfel liegt bei 40 bis 50 Jahren, wobei 12 Prozent der Fälle in einer pädiatrischen Population auftraten [Khalele, 2017]. Obwohl als „Low-grade-Karzinom mit gene- rell guter Prognose“ seitens der WHO einge- stuft, zeigen sich ebenfalls ambivalente Daten zum Malignitätspotenzial sekretorischer Kar- zinome mit lymphogenen Metastasierungs- raten bis zu 20 Prozent [Kennedy, 2018]. Eine Perineuralscheideninfiltration ist sogar mit bis zu 43 Prozent beschrieben [Badlani et al., 2017]. Goldstandard der Therapie ist die chirur- gische Resektion des Primarius. Bisher liegt \ Tumore der kleinen Speicheldrüsen sind oft maligne und bergen differenzial- diagnostische Schwierigkeiten. \ In die WHO-Klassifikation von 2017 wurde das sekretorische Karzinom als „neue“ Entität der Speicheldrüsen- karzinome aufgenommen. \ Therapie der Wahl bleibt bis dato die Chirurgie. \ Molekularpathologische Unter- suchungen gewinnen an Bedeutung für Diagnostik und Therapie. Fazit für die Praxis Abbildung 3a: histopathologisches Präparat (Färbung HE) Foto: Macher-Göppinger Abbildung 3b: immunhistochemische Färbung gegen Mammaglobin Foto: Macher-Göppinger 34 Zahnmedizin
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