Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 108, Nr. 21, 1.11.2018, (2466) Noch immer stellt die Medikamenten-asso- ziierte Kiefernekrose sowohl Patienten als auch Behandler vor große Herausforderun- gen. In den fünfzehn Jahren nach der Erst- beschreibung eines Kausalzusammenhangs zwischen der Einnahme von antiresorptiven Medikamenten und der Entstehung von Kiefernekrosen wurden hinsichtlich der Wahrnehmung, in der Vorbeugung sowie in der Therapie dieser Erkrankung deutliche Fortschritte gemacht. Das zunächst als seltene Nebenwirkung beschriebene Phänomen zeigte sich immer mehr als eine zunehmende, die Lebensqualität der Betroffenen maßgeb- lich beeinflussende Erkrankung. Obwohl eine multifaktorielle Pathogenese sehr wahrscheinlich ist, mehren sich in der Literatur Hinweise darauf, dass Infektionen im Kieferbereich als Trigger und auslösender Faktor eine Schlüsselrolle bei der Entstehung der Medikamenten-assoziierten Kiefernekrose spielen könnten. Dadurch bekommen die Prophylaxe (zahnärztliche Maßnahmen vor Beginn einer antiresorptiven Therapie) und die Prävention (Maßnahmen während und nach einer antiresorptiven Therapie) einen immer höheren Stellenwert. Von besonderer Bedeutung ist daher ein guter interdiszi- plinärer Austausch zwischen den die anti- resorptiven Medikamente verordnenden Ärzten, den Hauszahnärzten, den speziali- sierten Zahnärzten und den Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen. In diesem Artikel werden die Erfahrungen und Behandlungskonzepte eines klinischen Zentrums dargestellt, in dem sich in den vergangenen fünf Jahren die Behandlungs- zahlen von Patienten unter antiresorptiver Medikation vervielfacht haben. Ziel ist es, allen beteiligten Fachdisziplinen, die Patien- ten unter antiresorptiver Therapie betreuen, insbesondere den Zahnärzten, einen Über- blick über die aktuelle Evidenz sowie die auf eigenen Erfahrungswerten beruhenden Vorbeugungs- und Behandlungskonzepte zu geben. Antiresorptive Medikamente und Nomenklatur Bisphosphonate und Denosumab spielen eine bedeutende Rolle in der pharmakologischen Therapie von Erkrankungen des Skelettsystems. Diese antiresorptiven Medikamente finden vor allem in der Behandlung der Osteoporose und der ossären Metastasierung solider Tumore ihren Einsatz [Raje, 2018]. Gemeinsames Wirkprinzip ist eine Hemmung der Osteo- klasten-vermittelten Knochenresorption mit dem Ziel einer positiven Gewebebilanz im Knochen – das heißt, es wird mehr Knochen auf- als abgebaut. Die Bisphosphonate werden hierbei kovalent an das Hydroxylapatit des Knochens gebun- den. Hierdurch kann die Halbwertszeit, je nach Medikament, Jahre betragen und ist somit unkalkulierbar lang. Im Gegensatz Von der seltenen Nebenwirkung zur ernst zu nehmenden Erkrankung Medikamenten-assoziierte Kiefernekrosen Oliver Ristow, Thomas Rückschloß, Jürgen Hoffmann, Christian Freudlsperger Medikamenten-assoziierte Kiefernekrosen können als Nebenwirkung bei der Behandlung mit antiresorptiven Medikamenten auftreten. Sie sind eine Heraus- forderung, weil man therapeutische Maßnahmen immer patientenspezifisch im Kontext der Grunderkrankung abwägen muss. Vorbeugende Maßnahmen sowie die frühzeitige Diagnose und Behandlung im interdisziplinären Austausch zwischen ärztlichem Verordner, Zahnarzt und Chirurg sind unumgänglich. Durch Prothesendruckstellen provozierte Medikamenten-assoziierte Kiefernekrose im Unterkiefer beidseits. Foto: MKG Heidelberg 38 Zahnmedizin

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