Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 108, Nr. 21, 1.11.2018, (2478) scheidet der Zahnarzt, ob eine Erhaltungs- würdigkeit etwaiger Zähne gegeben ist. Es empfiehlt sich rechtzeitig eine inter- disziplinäre Abstimmung, um das Risiko der Entstehung einer Medikamenten-assoziierten Kiefernekrose gemeinsam zu minimieren. Herausforderung hierbei ist es, vor allem patientenspezifisch und risikoadaptiert ab- zuwägen, da es zu konservierenden, prothe- tischen, endodontischen oder parodontalen Behandlungsmaßnahmen in der Literatur kaum belastbare Daten mit hoher Evidenz gibt. Prophylaxe Der positive Effekt von prophylaktischen therapeutischen Maßnahmen vor Beginn einer antiresorptiven Therapie konnte schon früh gezeigt werden [Ripamonti, 2009] und hat sich über die vergangenen Jahre in einer Vielzahl von Arbeiten weiter bestätigt [Papapoulos, 2015]. Alle Patienten müssen über das Risiko zur Entstehung einer Medi- kamenten-assoziierten Kiefernekrose unter- richtet werden und eine zahnärztliche Vor- stellung soll durch den Verordnenden der antiresorptiven Medikamente initialisiert werden (interdisziplinäre Kommunikation zum Beispiel durch ASORS-Laufzettel). Durch den Zahnarzt soll dann eine Fokussuche, prothetische Anpassung und Sanierung von möglichen Bakterieneintrittspforten und Infektionen begonnen werden. Außerdem sollten eine Empfehlung zur Inanspruch- nahme von professionellen Mundhygiene- maßnahmen und eine Unterweisung zur Verbesserung der häuslichen Mundhygiene erfolgen. Da der Patient im eigentlichen Sinne noch kein erhöhtes Risiko für die Ent- stehung einer Medikamenten-assoziierten Kiefernekrose hat, sind für sämtliche not- wendigen Sanierungen keine spezifischen Schutzmaßnahmen empfohlen (zur Hilfe- stellung ist ein algorithmischer Ablaufplan zur Prophylaxe in Tabelle 3 dargestellt). Je nach individuellem Risikoprofil sollen die prophylaktischen Maßnahmen möglichst vor Beginn der Therapie mit den anti- resorptiven Medikamenten abgeschlossen sein. Dies sollte jedoch patientenspezifisch nach Grunderkrankung, Allgemeinzustand und nach Rücksprache mit dem Verord- nenden der antiresorptiven Medikamente erfolgen. ” Dringlich notwendige onkologische Therapien dürfen nicht für eine langwierige erhaltende zahnärztliche Therapie aufgeschoben werden. Zuletzt sollen alle Patienten darüber infor- miert werden, dass unter laufender oder nach durchgeführter antiresorptiver Thera- pie, je nach Risikoprofil, regelmäßige vor- beugende Verlaufskontrollen notwendig werden. Im Gegensatz zu den Osteoporosepatienten, die mit oralen Bisphosphonaten behandelt werden, scheinen Patienten, die mit Deno- sumab therapiert werden, ab der ersten Injektion ein erhöhtes Risiko zu Entstehung einer Medikamenten-assoziierten Kiefer- nekrose zu haben [Matsumoto, 2017]. Ein Abschluss der prophylaktischen Maßnahmen ist daher, wenn möglich, vor Erstgabe anzu- streben. Prävention Im Zeitfenster der Prävention bedarf es laut momentaner Datenlage in der konservativen und prothetischen Zahnheilkunde, sofern die bedeckenden Schleimhäute nicht ver- letzt werden und der Knochen unangetastet bleibt, keiner besonderen Maßnahmen. Hinsichtlich der endodontischen oder paro- dontologischen Therapie von Patienten unter antiresorptiver Therapie ist derzeit nicht genügend Evidenz vorhanden, die eine klare Behandlungsempfehlung zulässt. Klar scheint jedoch zu sein, dass parodontale oder periapikale Entzündungen einen Risiko- faktor darstellen, sodass Medikamenten- assoziierte Kiefernekrosen bei davon betrof- fenen Patienten vermehrt auftreten können [Thumbigere-Math, 2014; Nicolatou-Galitis, 2015; Rao, 2017; Wazzan, 2018]. Bis es mehr belastbare Daten gibt, sollte in solchen Fällen gemeinsam in interdisziplinärer Abstimmung und patientenorientiert ein Behandlungskonzept festgelegt werden. Hingegen sollten sämtliche chirurgisch durchzuführenden oder sanierenden Maß- nahmen, bei denen es zu einer Verletzung der Knochen und der bedeckenden Schleimhäute kommt, unter Einhaltung be- stimmter Kautelen erfolgen. Lange wurde vermutet, dass Zahnextraktionen das Aus- lösen der Medikamenten-assoziierten Kiefer- nekrose provozieren. Jedoch wurde über die Jahre immer klarer, dass nicht die Zahn- extraktion selbst der auslösende Faktor ist (wenn man sich an die vorgegebenen Kau- telen hält), sondern vielmehr die zur Zahn- extraktion führende lokale Infektion. Darüber hinaus postulieren aktuelle Studien, dass ein signifikanter Anteil der Patienten zum Zeit- punkt des operativen Eingriffs bereits osteo- nekrotische Veränderungen der Knochen- architektur aufweisen könnte, daher sollte zum Zeitpunkt der präventiven Zahn- extraktion [Saia, 2010; Otto, 2015] eine Probeentnahme zur möglichen Diagnose- sicherung erfolgen. Aktuelle Studien zeigen, dass Zahnextraktionen, selbst bei Hochrisiko- patienten unter antiresorptiver Therapie, sicher durchgeführt werden können, wenn bestimmte Kautelen eingehalten werden (Details siehe Tabelle 3) [Saia, 2010; Mozzati, 2013; Otto, 2015; Matsumoto, 2017]. Daher muss es das Ziel sein, unter laufender oder nach antiresorptiver Therapie Infektions- herde und mögliche Keimeintrittspforten im Kieferbereich zeitnah zu beseitigen und notwendige chirurgische Maßnahmen nicht zu unterlassen. Es ist bekannt, dass der Knochen vor allem in den endständigen Gebieten („der letzten Wiese“) in seinem natürlichen Remodelling geschwächt ist. Dieser Effekt ist um ein Vielfaches potenziert, wenn der Patient zusätzlich unter oder nach antiresorptiver Therapie steht. Um dem Knochen keine Prädilektionsstelle für eine Kiefernekrose zu bieten, hat sich ein modellierendes Abtra- gen sämtlicher endständiger Knochenteile und Kanten nach der Zahnextraktion als vorteilhaft erwiesen. Außerdem ist bekannt, dass die sichere und speicheldichte schleim- häutige Abdeckung des Extraktionsgebiets von entscheidender Wichtigkeit ist, um das Risiko einer möglichen bakteriellen Besiedlung zu minimieren. Um diese meist sensible, schleimhäutige Deckung adäquat zu ge- währleisten, sollte, nachdem mechanische 50 Zahnmedizin

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