Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 108, Nr. 21, 1.11.2018, (2479) Störfaktoren wie spitze Knochenkanten ent- fernt wurden, eine stabile mukoperiostale plastische Deckung erfolgen. Noch in der aktuellen Diskussion steht die Fragestellung, ob dieses Vorgehen für alle Risikogruppen gleich anzusehen ist. Hierbei besteht weiterer studieninterventioneller Klärungs- bedarf. Um die Keimbelastung im betroffe- nen, bereits reduzierten Areal so niedrig wie möglich zu halten, ist eine prolongierte anti- biotische Abschirmung obligat [Montefusco, 2008]. Je mehr Infektionstherapie notwendig ist, umso länger ist die Vor- und Nach- laufzeit. Belastbare Daten hinsichtlich der Dauer der antibiotischen Therapie vor und nach der Operation gibt es bis dato wenig. Um aber eine suffiziente Anreicherung des Antibiotikums im betroffenen Gewebe und dem Knochen zu erreichen, soll mindestens ein Tag vor dem Eingriff begonnen werden – „Single-shot Applikationen“ sind zu ver- meiden. Die Frage, ob eine Unterbrechung der anti- resorptiven Therapie („drug holiday“) die Ereignisraten zur Entstehung einer mani- festen Nekrose verringert, konnte bis heute nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Jedoch lässt die Pharmakokinetik und die kurze Halbwertszeit von Denosumab eine etwaige Diskussion offen. Auch bei den Bisphosphonatpräparaten wird, trotz der langen Halbwertszeit, eine Medikamenten- unterbrechung positiv diskutiert [Hasegawa, 2017]. Die Entscheidung zur Therapie- unterbrechung sollte aber immer interdis- ziplinär in Rücksprache mit den onkologisch und osteologisch behandelnden Ärzten ge- troffen werden. Über die oben genannten prophylaktischen sowie präventiven Emp- fehlungen hinaus, sind vor allem regel- mäßige Verlaufskontrollen hinsichtlich der Vermeidung von Infektionsherden und möglichen Keimeintrittspforten sowie, falls notwendig, deren zeitnahe Entfernung als empfohlen anzusehen [Goodday, 2015; Poxleitner, 2017]. Implantologie An die Prävention, im Sinne einer chirur- gischen Sanierung des Gebisses, schließt sich notwendigerweise die kaufunktionelle, prothetische Rehabilitation des Patienten an. Hierbei bewegt man sich in einem Spannungsfeld zwischen tegumental-, parodontal- oder implantatgetragenem Zahnersatz. Erneut muss es das Ziel einer prothetischen Rehabilitation des Patienten sein, das zukünftige Risiko zur Entstehung einer Medikamenten-assoziierten Kiefer- nekrose so gering wie möglich zu halten und den Patienten ohne Einschränkung der Lebensqualität zu versorgen. Die Fachliteratur ist sich hinsichtlich der Implantatinsertion als auslösenden Faktor für eine Medikamenten-assoziierte Kiefer- nekrose uneinig [de-Freitas, 2016; Walter, 2016]. Klar ist allerdings, dass entzündliche Prozesse, wie eine Periimplantitis, eine Kie- fernekrose induzieren können [Giovannacci, 2016; Troeltzsch, 2016]. Alternativ zur implantatgetragenen Versorgung besteht die Möglichkeit von rein tegumental oder kombiniert parodontal-tegumental abge- stütztem Zahnersatz. Die hierbei jedoch vielfach auftretenden Prothesendruckstellen können bewiesenermaßen selbst eine Ne- krose induzieren [Hasegawa, 2012; Niibe, 2015]. Hingegen können durch Implantat- insertion zum Zweck einer Pfeilervermeh- rung Druckstellen oder eine tegumentale Abstützung vollständig vermieden werden. Auf diese Weise kann das Risiko einer durch eine Druckstelle induzierten Nekrose reduziert werden – bei andauerndem Im- plantationsrisiko. Die aktuelle S3-Leitlinie „Zahnimplantate bei medikamentöser Behandlung mit Knochen- antiresorptiva“ aus dem Jahr 2016 zeigt die- ses Spannungsfeld auf. Die Leitlinie emp- fiehlt bei Patienten mit Indikation zur Implantation eine genaue Evaluation des patientenspezifischen Risikos. Hierfür wurde im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Implantologie im Zahn-, Mund- und Kiefer- bereich e. V. (DGI) der „Laufzettel Risiko- Evaluation bei antiresorptiver Therapie vor Implantation“ entwickelt (https://www.dgi net.de/web/dgi/laufzettel-bisphosphonate ). Dieser erlaubt, basierend auf fünf Kriterien, eine orientierende Einteilung des Osteo- nekroserisikos in drei Grade (niedrig bis hoch). Daneben sollte auch die Mund- hygiene des Patienten und damit die künftig zu erwartende periimplantäre Hygiene mit- bedacht werden. Auf der Basis des zugehöri- gen systematischen Reviews [Walter, 2016] zeigt sich für Patienten mit niedrigem Risikoprofil, dass die Gefahr der Auslösung einer Nekrose durch implantologische Maß- nahmen eher gering ist. Hingegen kann bei hohem und mittlerem Risikoprofil eine Empfehlung nicht gegeben werden (hierzu gibt es auch so gut wie keine Daten). Im Vorfeld einer Implantation sollte stets eine vollständige Sanierung von potenziellen Infektionsherden erfolgen. Im Falle einer chirurgischen Sanierung liefern die post- operative Wundheilung ebenso wie rönt- genologische Verlaufskontrollen (beispiels- weise röntgenologische Ossifikation oder Persistieren einer Alveole) wertvolle Infor- mationen zum individuellen Grad der Kom- promittierung der Weichgewebsheilung sowie der Knochenneubildungsrate, welche ebenfalls in eine Risikoevaluation mit ein- bezogen werden sollten. Hinsichtlich des chirurgischen Vorgehens sollten Implantat- insertionen dem Zeitfenster der Prävention zugeordnet werden und somit nach densel- ben Kautelen erfolgen (siehe Tabelle 3). Augmentative Verfahren sind für alle Risiko- gruppen kritisch zu betrachten und sollten angesichts der schwachen Datenlage (wenn überhaupt) einer strengen Indikations- abwägung unterliegen. Vor allem aber für die hohen Risikogruppen sind diese nicht zu empfehlen. Auch die Implantation in be- reits ausgeheilte Regionen Medikamenten- assoziierter Kiefernekrosen sollte erfahrungs- gemäß vermieden werden. Therapie Bei einer verspäteten Diagnose oder Be- handlung kann die Medikamenten-assozi- ierte Kiefernekrose einen komplikations- trächtigen und behandlungsintensiven Ver- lauf zeigen [Ruggiero, 2015; Ristow, 2018]. So besteht insbesondere die Gefahr, dass es bei betroffenen Patienten zu einem großvo- lumigen Verlust von Kieferabschnitten kom- men kann [Fliefel, 2015; Ristow, 2015]. Des- halb sollte die Therapie der diagnostizierten Erkrankung aus unserer Sicht keinesfalls auf- geschoben werden. 51

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