Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 108, Nr. 21, 1.11.2018, (2480) Jedoch besteht hinsichtlich der Behandlung der Medikamenten-assoziierten Kiefer- nekrosen seit Jahren eine kontrovers ge- führte Diskussion [Grötz, 2012; Ruggiero, 2014; Khan, 2015; Yoneda, 2017]. Vor allem im Hinblick auf die Behandlung früher ne- krotischer Veränderungen herrscht Uneinig- keit. Grundsätzlich wird in der Literatur zwischen konservativer (nicht-chirurgischer) und operativer (chirurgischer) Therapie unterschieden. Die konservative Therapie manifester Medikamenten-assoziierter Kie- fernekrosen umfasst engmaschige ambu- lante Verlaufskontrollen, zum Teil lang- wierige systemische antibiotische Anwen- dungen und lokal desinfizierende Maß- nahmen. Zwar können diese konservativen Behandlungsmaßnahmen zu einer Besserung der Krankheitssymptome führen, jedoch kommt es bei einem großen Teil der Fälle zu keiner kompletten schleimhäutigen Ab- heilung [Hoff, 2008; Nicolatou-Galitis, 2011; Fliefel, 2015]. Darüber hinaus besteht das Risiko der asymptomatischen Progre- dienz der Nekrose unter der geschlossenen Schleimhautdecke [Ristow, 2017]. Die er- hebliche Dauer der Behandlung sowie das meist damit verbundene Pausieren der notwendigen antiresorptiven und onkolo- gischen Therapien müssen in die Gesamt- risikobetrachtung miteinbezogen werden. Des Weiteren ist eine prothetische Versor- gung bei nicht ausgeheilter Medikamenten- assoziierter Kiefernekrose nur erschwert möglich, was nicht zuletzt einen nachge- wiesenen Einfluss auf die patientenbezogene Lebensqualität hat [Kyrgidis, 2012]. Letztendlich kann die konservative Therapie ausschließlich als Alternative für den (dem onkologischen oder Allgemeinzustand ge- schuldeten) stark reduzierten Patienten an- gezeigt oder dem ausdrücklichen Wunsch des Patienten vorbehalten sein. Dann muss die konsequente konservative Therapie als Mittel zur Besserung von Symptomen, nicht aber als Alternative zur chirurgischen Therapie gesehen werden [Grötz, 2012; Grötz, 2016]. Eine strenge interdisziplinäre Absprache zwischen den Verordner der anti- resorptiven Medikamente und dem Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen ist obligat. Um die dringend notwendige onkologische beziehungsweise osteologische Therapie weiterführen zu können, sowie eine zeit- nahe prothetische Rehabilitation zu ermög- lichen, sollte das primäre Ziel der Behand- lung die vollständige, rasche, schleimhäutige Abheilung und Beschwerdefreiheit des Pa- tienten sein. Klinische Studien zum Therapie- erfolg der chirurgischen Therapie zeigen konstant hohe schleimhäutige Abheilungs- raten von über 90 Prozent, wenn man sich an die vorgegebenen Kautelen hält (Tabelle 3) [Bedogni, 2011; Otto, 2016; Ristow, 2017; Schiodt, 2018]. Außerdem ist die chi- rurgische Therapie die einzige Möglichkeit, den nekrotischen Knochen vollständig zu entfernen. Je früher diese Therapie erfolgt, umso geringer ist der Verlust an Knochen, was sich wiederum positiv auf eine spätere prothetische Versorgung auswirkt [Otto, 2016; Ristow, 2018]. Auch vergleichende Fallserien und systematische Übersichts- arbeiten bestätigen die Überlegenheit der chirurgischen Therapie im Vergleich zu kon- servativen Therapiekonzepten [Rupel, 2014; Fliefel, 2015; El-Rabbany, 2017]. Daher be- steht derzeit in Deutschland der Konsens (unter Einbezug des Allgemeinzustands des Patienten und nach osteologisch/ onkolo- gischer Rücksprache) zur frühzeitigen und konsequenten operativen Therapie, die letzt- lich zur Vermeidung größerer knöcherner Defekte beiträgt [Ristow, 2015; Grötz, 2016; Otto, 2016]. Dr. Dr. Oliver Ristow Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Univer- sitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg oliver.ristow@med.uni- heidelberg.de Dr. Thomas Rückschloß Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Univer- sitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg Prof. Dr. Dr. Jürgen Hoffmann Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Univer- sitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg Prof. Dr. Dr. Christian Freudlsperger Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Univer- sitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg Alle Porträts: privat \ Antiresorptive Medikamente steigern die Lebensqualität und Lebenserwartung von Patienten mit Osteoporose oder mit skelettal-metastasierenden malignen Grunderkrankungen. \ Die Medikamenten-assoziierte Kiefer- nekrose stellt eine Herausforderung in der Prophylaxe, Prävention, Früherkennung und Therapie dar. \ Eine gute Anamnese sowie der inter- disziplinäre Austausch zwischen dem Ver- ordner der antiresorptiven Medikamente, dem Zahnarzt und dem MKG-Chirurgen vermeiden unnötige Risiken. \ Eine patientenspezifische Risikobewertung ist vor jeder Behandlung obligat und minimiert das Risiko zur Entstehung einer manifesten Medikamenten-assoziierten Kiefernekrose. \ Ziel der Prophylaxe ist, das künftige Risiko für eine Medikamenten-assoziierte Kiefer- nekrose so gering wie möglich zu halten. \ Sämtliche dentoalveolär-chirurgischen Eingriffe unter laufender und/oder nach anti- resorptiver Therapie müssen unter Einhalt bestimmter Kautelen durchgeführt werden. \ Eine frühzeitige und konsequente opera- tive Therapie trägt zur Vermeidung größerer knöcherner Defekte, der schnellen Wieder- aufnahme notwendiger onkologischer/ osteologischer Therapien sowie einer raschen prothetischen Rehabilitation bei. Fazit 52 Zahnmedizin

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