Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21
zm 108, Nr. 21, 1.11.2018, (2482) Ob in der Kinder- oder Zahnmedizin, in der Adipositas- und Diabetesforschung oder in den Ernährungswissenschaften: Unter Fachleuten besteht kein Zweifel, wie Milch- getränke mit zugesetztem Zucker zu be- werten sind. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt in ihren Qualitäts- standards für die Schulverpflegung zwar auch Milchprodukte, aber eben keine ge- zuckerten Milchmischgetränke wie Kakao als Zwischenmahlzeit. Prof. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, formuliert ebenso eindeutig: „Wissenschaft- liche Forschungen belegen, dass das Karies- risiko deutlich mit der Frequenz der Zucker- aufnahme zusammenhängt. Deshalb sollte auf zuckerhaltige Zwischenmahlzeiten oder Getränke verzichtet werden.“ Der Molkereikonzern FrieslandCampina, nach eigenen Angaben einziger über- regionaler Schulmilchlieferant, ignoriert diese wissenschaftlich belegten Fakten und behauptet stattdessen: Kakao steigere nicht nur „Intelligenz und Konzentration“, sondern verursache zum Frühstück sogar „weniger Karies als Wasser“. Wie kommt der Konzern zu solchen Aussagen? Wenn vier Probanden frühstücken Die Verbraucherorganisation foodwatch hat die Studien, auf die sich FrieslandCampina stützt, genauer betrachtet und die Recherche- ergebnisse in dem Report „Im Kakao-Sumpf: Von gekauften Studien bis zur wundersamen Partnerschaft von Milchwirtschaft und Politik“ veröffentlicht: Ausgangspunkt für die Aussage „Kakao zum Frühstück verursacht weniger Karies als Wasser“ ist eine Untersuchung von Prof. Dr. Stefan Zimmer, Sprecher der Informations- stelle für Kariesprophylaxe (IfK) und Lehr- stuhlinhaber für Zahnerhaltung und Präven- tive Zahnmedizin an der Universität Witten/ Herdecke sowie Vorsitzender der „Aktion Zahnfreundlich“. foodwatch schildert in sei- nem Report, wie diese Untersuchung vom Molkereikonzern vermarktet und bewusst falsch ausgelegt wurde: „Zimmer verglich, wie kariesfördernd zwei unterschiedliche Frühstücke sind, die nach Darstellung Zimmers jeweils nur vier (!) Probanden ver- abreicht wurden“, heißt es im foodwatch- Report. Beide Grüppchen erhielten Vollkorn- brot mit Truthahnwurst und Remoulade sowie einen Apfel – die eine Gruppe zusätz- lich gezuckerten Kakao, die andere Mineral- wasser. Gemessen wurde schließlich die Säureproduktion in der Zahnplaque. „Es ging darum, festzustellen, ob es im Rahmen dieser insgesamt schon karies- fördernden Nahrungszufuhr (das ist im foodwatch veröffentlicht Milchlobby-Report Kakao ist nicht nicht kariesfördernd Sagt ja auch keiner, dass Kakao nicht kariesfördernd ist. Na ja. Genau das sug- geriert die Milchlobby, wenn sie formuliert „Kakao zum Frühstück verursacht weniger Karies als Wasser“ oder „Kakao steigert die Intelligenz“ und dabei – vermeintlich – wissenschaftlich belegt unterwegs ist. Über die Machenschaften der Milchlobby, einen Report der Verbraucherorganisation foodwatch, miss- gedeutete Forschungsergebnisse, EU-Fördermittel und durstige Kinder. Egal ob als Schulmilch oder zu Hause, Kakao ist für viele Kinder wie ein kleiner Geburtstag – aber eben auch süß gezuckert und damit nicht zahngesund. Aber das lässt sich mit ein paar bunten Plakaten ja vielleicht wegdiskutieren. Foto: theboone - iStockPhoto.com 54 Politik
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