Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 108, Nr. 21, 1.11.2018, (2486) Auch auf seinen Webseiten benutze Friesland Campina die Studie weiterhin irreführend. So fragt das Informationsbüro Schulmilch „Kinderfrühstück: Kakao besser für die Zähne als Wasser?“ und behauptet „Kakao zum Frühstück verursacht weniger Karies als Wasser“. „Das ist mindestens verkürzt, denn das Ergebnis der Mini-Studie bezieht sich allein auf ein speziell zusammengestelltes Frühstück“, widerspricht foodwatch. Die Kariesstudie ist nur ein Beispiel: Ins- gesamt zeigen die Recherchen von food- watch „eine kaum vorstellbare Verflechtung zwischen Auftragsforschern, Milchwirtschaft und Politik – über Jahrzehnte und Partei- grenzen hinweg“, sagt foodwatch-Geschäfts- führer Martin Rücker. „Bei der Schulkakao- förderung geht es zuallerletzt um die Ge- sundheit der Kinder – es ist ein durch und Kakao macht schlau und verursacht zum Frühstück weniger Karies als Wasser – mit solch „ver- blüffenden Fakten“ wirbt der Molkereikonzern FrieslandCampina für seine zuckrigen Getränke. Quelle: Informationsdienst Schulmilch/ Friesland Campina „Angestoßen wurde unsere Untersuchung durch Prof. Günter Eissing von der TU Dortmund. Er hatte mich angesprochen, weil er sich seit Jahren für ein gesundes Schulfrühstück, insbesondere in sozial schwierigen Lagen, einsetzt. Das ist ja ein sehr vernünftiges Anliegen. In seiner Forschung hatte er festgestellt, dass Milch zum Frühstück die geistige Leistungsfähig- keit der Kinder erhöhte und zu einer besse- ren geistigen Entwicklung führte. Aber die Kinder mochten keine Milch (das Problem kenne ich aus meiner Schulzeit). Also kam er auf Kakao. Das wiederum provozierte Widerstand, weil dieser natürlich Zucker enthält (ohne würde er wahrscheinlich auch nicht ge- trunken werden). Dadurch drohte seine Arbeit einen Rückschlag zu erleiden. Also hat er mich gefragt, ob der Kakao für die Zähne tatsächlich so schädlich sei. Wir kannten uns vorher nicht. Ich habe ihm geantwortet, dass ich das nicht wisse, dass wir es aber untersuchen könnten. Ich habe die Publikationen von Prof. Eissing gelesen, bevor ich den Auftrag an- genommen habe, und ich hatte und habe persönlich keinen Grund, an seiner Recht- schaffenheit und seiner Arbeit zu zweifeln. Meine Wahrnehmung in den Gesprächen mit ihm war immer, dass er ein recht- schaffenes Interesse an einer gesunden Ernährung der Schulkinder hat. Wo hier die Wahrheit liegt, vermag ich nicht zu beurteilen. Die Untersuchung wurde als Auftragsarbeit, wie wir das für Zahnfreundlich-Testungen machen, durchgeführt. Dafür wurde, wie foodwatch schreibt, ein Betrag von 7.400 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer an das Test- institut der Universität Witten/Herdecke gezahlt. Die genannten 7.400 Euro sind der übliche Preis, den wir für eine solche Arbeit verlangen. Das Geld deckte unsere Kosten ab und floss an die Universität. Niemand hat sich daran bereichert. Bei der zitierten ‚Karies-Studie‘ handelt sich nicht um eine echte Studie, die publi- zierbar wäre, sondern um eine Messung nach den Regularien der Anerkennung als ‚zahnfreundlich‘, so wie sie von Tooth- friendly International vor über 30 Jahren festgelegt wurden und wie sie weltweit für die Testzentren gelten. Das war allen Beteiligten von vornherein klar und das wurde auch nie anders kommuniziert. Von foodwatch wird angegeben, dass Kakao 8,7 Prozent Zucker enthalte – und sich damit fast auf dem Niveau von Fanta befindet. Da- bei muss man berück- sichtigen, dass 4,5 Prozent davon in Form von Laktose aus der Milch stammen, also auch in normaler Milch enthalten sind. 4,2 Prozent sind in Form von Dextrose (2,1 Prozent) und Saccharose (2,1 Prozent) zu- gesetzt. Natürlich ist klar, dass Zucker der Ver- ursacher der Karies ist, aber man muss die Dinge auch im Kontext sehen und wenn man Kakao statt Wasser zu dem von uns untersuchten Frühstück trinkt, dann erhöht das die Kariogenität nicht, diese Aussage traue ich mir aufgrund unserer Daten zu. Und wenn Kakao einen Beitrag zur Ent- wicklung der geistigen Leistungsfähigkeit von Kindern leisten kann – wovon ich nach den Studien von Prof. Eissing ausging –, dann ist das ein für mich tragfähiger Kom- promiss.“ Prof. Dr. Stefan Zimmer, Sprecher der Informationsstelle für Karies- prophylaxe (IfK) und Lehrstuhlinhaber für Zahnerhaltung u.Präventive Zahnmedizin an der Universität Witten/Herdecke sowie Vorsitzender der „Aktion Zahnfreundlich“ „Natürlich ist klar, dass Zucker der Verursacher der Karies ist, aber man muss die Dinge auch im Kontext sehen“ S TATEMENT P ROF . S TEFAN Z IMMER Porträt: Uni Witten/Herdecke 58 Politik

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