Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm 108, Nr. 21, 1.11.2018, (2487) durch lobbyverseuchtes Absatzförderungs- programm für die Milchwirtschaft. Weil sich Milch fast nur als Kakao an den Schulen ver- kaufen lässt, wird die Extraportion Zucker eben billigend in Kauf genommen.“ „Kein Steuergeld für zuckrigen Kakao!“ Die Verbraucherorganisation forderte die nordrhein-westfälische Umweltministerin Ursula Heinen-Esser bereits im August auf, die steuerliche Förderung von gezuckerten Schulmilchgetränken unmittelbar zu stoppen und die Zusammenarbeit mit der Landes- vereinigung der Milchwirtschaft bei Schul- programmen zu beenden: „Lobbyisten haben an den Schulen nichts verloren. Herr Laschet [Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen] und Frau Heinen-Esser haben die Chance, als erste Landesregierung den Kakao-Sumpf trockenzulegen“, sagt Rücker. „Wer ernsthaft eine gute Ernährung für Kinder fördern will, der investiert kein Steuergeld für zuckrigen Kakao, sondern kommt auf ganz andere Ideen: Der setzt die offiziellen Qualitäts- standards für die Mittagsverpflegung an allen Schulen durch, der lässt alle Schulen am Obst- und Gemüseprogramm teilnehmen oder fördert, wo nötig, ausgewogene Früh- stücksangebote. Dafür aber stellt das Land die nötigen Mittel nicht zur Verfügung.“ Auch Ärzte, Ernährungsexperten und Wis- senschaftler sowie Vertreter von Lehrern und Eltern hatten bereits im September an die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen appelliert, die steuerfinanzierte Förderung von gezuckertem Kakao im Schulmilch- programm zu beenden. Landesumwelt- ministerin Heinen-Esser hatte daraufhin an- gekündigt, die jahrelange Praxis der Kakao- Förderung im NRW-Schulmilchprogramm zu überprüfen. nb Seit 1977 fördert die Europäische Union die Abgabe von Milch und Milch- produkten an Schulen und Kindergärten mit Steuergeldern. Wegen der besorgnis- erregenden Übergewichtsdaten bei Kin- dern sieht das „Schulmilchprogramm“ seit dem Schuljahr 2017/2018 jedoch nur noch die Abgabe ungezuckerter Milchprodukte vor. Allerdings können Ausnahmeregelungen die Förderung von Milch mit Zuckerzusatz weiterhin ermög- lichen. In Deutschland haben drei Bun- desländer – NRW, Berlin und Branden- burg – solche Ausnahmeregelungen für zuckrige Milchprodukte geschaffen. Damit die EU die Zuschüsse für das Schulmilchprogramm bewilligt, müssen die Länder ein begleitendes „Ernährungs- programm“ in den Schulen anbieten. Dieses wird laut foodwatch in der Regel an die Milchwirtschaft delegiert. Der Marktführer für Schulmilch in Deutsch- land ist die FrieslandCampina-Tochter Landliebe. Für Deutschland bewilligt die EU für das laufende Schuljahr (2018/19) 10,5 Millionen Euro Beihilfen für die Schul- milchförderung – auf Nordrhein-West- falen entfallen nach einem Verteiler- schlüssel 2,6 Millionen Euro –, wobei fast die Hälfte des gesamtdeutschen Schulmilchabsatzes auf NRW entfällt, nämlich rund 10.000 Tonnen Milch-und Milchprodukte pro Jahr, verteilt an mehr als 200.000 Kita- und Schulkinder. Nach Angaben des zuständigen NRW- Umweltministeriums betrug der Anteil von Kakao zuletzt rund zwei Drittel gegenüber einem Drittel ungesüßte Trinkmilch, bezogen auf alle Einrich- tungen. An den Schulen ist der Kakao- Anteil noch deutlich größer: Hier geben Kinder beziehungsweise deren Eltern individuelle Bestellungen für Tages- portionen auf, wohingegen die vor- schulischen Einrichtungen selbst in der Regel größere Gebinde ungesüßter Trink- milch ordern. Quelle: „Im Kakao-Sumpf: Von gekauften Studien bis zur wundersamen Partner- schaft von Milchwirtschaft und Politik“, foodwatch, 2018 Das EU-Schulmilchprogramm H INTERGRUND

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