Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21
zm 108, Nr. 21, 1.11.2018, (2516) werden mussten (wenn man eine Zahn- erhaltung überhaupt in Erwägung zog) können auf diese Art und Weise noch gut erhalten werden. 6. Anpassung neuer direkter Restaurationen an bestehende prothetische Versorgungen Bei mit herausnehmbarem Zahnersatz ver- sorgten Patienten zeigt sich im Fall von ein- geschränkter Mundhygiene gelegentlich an strategisch wichtigen Pfeilerzähnen eine stark ausgeprägte Karies. Falls die vorhandene prothetische Versorgung – aus welchen Gründen auch immer – in absehbarer Zeit nicht erneuert werden kann, lassen sich mit einer Reziprok-Technik neue direkte Kom- positrestaurationen an die vorhandenen Prothesen anpassen. Details dazu wurden an anderer Stelle beschrieben [Staehle, 2014; Staehle et al., 2017]. Fazit und Ausblick In einer zahnärztlichen Wochenschrift wur- den unlängst die Herausforderungen der Seniorenzahnmedizin mit dem Titel eines populären Buches des Schauspielers Joachim Fuchsberger „Altwerden ist nichts für Feig- linge“ assoziiert. In unserer Gesellschaft sind Worte wie Feigheit, Furcht und Angst be- kanntlich ausgesprochen negativ belegt (Feigling, furchtsames Sensibelchen, Angst- hase). Gefragt sind Mut, Tapferkeit und Zuversicht. Selbst ein älterer Mensch darf sich in unserem Kulturkreis offenbar nicht der Feigheit oder der Furchtsamkeit ergeben. Manche Menschen wenden sich im Alter vermehrt der Religion zu, um sogleich aus der Bibel zu erfahren, dass uns „Gott nicht den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit gegeben“ habe [2 Timotheus 1,7]. Auch hier steht also eine negative Konnotation im Vordergrund (Furcht als Gegensatz von Kraft, Liebe und Besonnenheit, als ob ein schwacher und ängstlicher Mensch automatisch lieblos oder unbesonnen wäre). Andererseits lernt jeder Mensch über kurz oder lang, dass es nicht möglich ist, ohne Angst, Furcht und Zweifel durchs Leben zu gehen und dass auch das so stark beschworene „positive Denken“ seine Tücken hat. Gerade im Alter ist ein gewisses Maß an Angst und Feigheit zuweilen geradezu über- lebensnotwendig. Viele ältere Menschen spüren, dass es nicht auf die Verdammung von Feigheit und die Heroisierung von Mut ankommt, sondern eher auf eine gute Balance von Vorsicht und Zuversicht. Beides sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Thematik ist auch in der Medizin und Zahn- medizin von großer Bedeutung. Einen allzu mutigen und forschen Zahnarzt möchte man eigentlich niemandem wünschen. Bei Senioren kann in diesem Zusammen- hang ein defensives Vorgehen, verbunden mit einer Zurückhaltung bei Indikationsstel- lungen, durchaus angemessen sein. Nicht alles, was machbar ist, ist für den Patienten auch gut. Der Slogan „Weniger kann manchmal mehr sein“ hat hier somit eine große Berechtigung. Jedenfalls sollte das Gebot einer sorgfältigen Nutzen-Risiko- Abwägung mit Beachtung einer Verhältnis- mäßigkeit des Mitteleinsatzes gerade auch für die Seniorenzahnmedizin besondere Berücksichtigung finden. Konkret bedeutet dies, dass man zuweilen gut beraten ist, die Indikationsstellung zu implantologischen und prothetischen Ein- griffen sorgfältig abzuwägen. Die Instru- mente der präventiven und restaurativen Zahnheilkunde sind bei älteren Personen zuweilen vorteilhafter. Es ist an der Zeit, bei diesem Patientengut neben der Oral- chirurgie und Zahnärztlichen Prothetik das Potenzial der Zahnerhaltungskunde vermehrt zu nutzen. Prof. Dr. Dr. Hans Jörg Staehle Poliklinik für Zahn- erhaltungskunde der Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten des Universitäts- klinikums Heidelberg Im Neuenheimer Feld 400 69120 Heidelberg hansjoerg.staehle@med.uni-heidelberg.de Anmerkung: Einige Einzeldarstellungen aus den Abbildungen wurden der Publikation Staehle et al., 2017 mit freundlicher Geneh- migung des Thieme-Verlags entnommen. Porträt: Universitätsklinikum Heidelberg Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Reziprok-Technik zur Erhaltung bestehender prothetischer Versorgungen Die Versorgung mit direkt eingebrachten, adhäsiv verankerten Restaurationsmateria- lien erlaubt meist eine größere Flexibilität als die Versorgung mit indirekt gefertigten Werkstücken. Dies erleichtert die zahnärzt- liche Betreuung von Senioren mit einge- schränkten Behandlungsvoraussetzungen. Mit der Reziprok-Technik lassen sich in bestimmten Situationen bei Prothesen- trägern selbst ausgedehnte Läsionen so angehen, dass der Prothesenhalt wieder hergestellt wird Tabelle 6; Quelle: H. J. Staehle Optionen der Reparaturtechnik Die seit Langem überfällige wissenschaftliche Anerkennung von Reparaturrestaurationen kann als Meilenstein in der restaurativen Versorgung angesehen werden, die unter anderem auch Senioren sehr zugute kommt. Nahezu alle Restaurationsarten können repariert werden. Reparaturen haben ein großes Indikations- spektrum. Sie kommen nicht nur im Fall von Sekundärkaries zur Anwendung, son- dern auch bei Abplatzungen/Frakturen von Restaurationsmaterialien oder von Zahnhartsubstanzen. Tabelle 5; Quelle: H. J. Staehle 88 Zahnmedizin
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