Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22
zm 108, Nr. 22, 16.11.2018, (2682) synoptisch zu betrachten und praktikable Lösungen zu finden. Dies ist der Grund, warum zu unseren Beiräten auch Ernäh- rungsmediziner, Sportkardiologen, Sport- psychologen und Ärzte für Labormedizin gehören und wir Konzepte bis in die prak- tische Anwendung hinein begleiten. Weshalb ist die zahnmedizinische Betreuung von Spitzensportlern wichtig? Die Mundhöhle gilt heute als die Haupt- eintrittspforte für krank machende, leis- tungsmindernde Bakterien. Gingivitis und Parodontitis sind kein auf die Mundhöhle lokal begrenztes Problem. Über die Blut- bahn streuen diese Infektionen in den Organismus, so dass die Symptome manch- mal fern der Mundhöhle zu finden sind. Vor einem Jahr wurde eine dänische Studie, die sich mit chronischen Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich beschäftigte, mit dem Forschungspreis der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) aus- gezeichnet. Sie konnte zeigen, dass bei über 51 Prozent der chronischen Schmerzen bei sogenannten „modic changes“ Band- scheibengewebe mit einem Bakterium aus der Mundhöhle infiziert war, dem Propioni- bakterium Acres. Diese Beschwerden sollten nach Erregernachweis antibiotisch behandelt werden. Die Ursache aber liegt in der Mund- höhle und das ist das Kompetenzfeld der Sportzahnmedizin! Ohne synoptisches me- dizinisches Denken springt man hier zu kurz und behandelt nur die Symptome. Dies ist nur ein Beispiel von vielen, warum die Sportzahnmedizin für Sportler so wichtig ist und in Zukunft immer wichtiger werden wird! Lässt sich das auch wissenschaftlich belegen? Wir haben 2016 in einer eigenen Studie feststellen können, dass in einer Unter- suchungskohorte von 94 professionellen Fußballern, die unserem sportzahnärztlichen Screening unterzogen wurden, mehr als 90 Prozent eine leistungsmindernde Gingivitis/ Parodontitis aufwiesen. Wir konnten dann in einem zweiten Schritt aber auch zeigen, dass durch ein an den Sport adaptiertes Präventionskonzept eine nachhaltige und in den meisten Fällen vollständige Reduktion der Entzündungen erreicht werden kann. Gibt es weitere Gesundheitsaspekte, die sportzahnmedizinisch relevant sind? Ein weiteres Beispiel ist die Regenerations- unterstützung: Im Sport ist im Moment die effektive Regeneration das Topthema. Im professionellen Sport kommt es mehr und mehr zur Belastungsverdichtung, Sportler haben kaum noch Zeit, aus- reichend zu regenerieren. Wenn man sich vor Augen führt, dass es Fußballprofis mit über 70 Pflichtspielen in der Saison gibt, kann man dies gut nachvollziehen. Wir können die Regeneration durch spezielle Ernährungssteuerung, aber auch durch spe- zielle Apparaturen in der Mundhöhle zu verbessern versuchen, indem wir die Atmung optimieren. Erste Versuche ver- sprechen auf diesem Gebiet großes Potenzial. Es macht also Sinn, die Sportzahnmedizin in die medizinische Betreuung von Spitzen- sportlern einzubeziehen, um durch Gesund- heit einen validen Wettbewerbsvorteil zu generieren. Und seit wann wird auf diese gestiegene Bedeutung der Sportzahnmedizin eingegangen, gelten Sie hier nicht vielmehr noch als Exoten? Zahnmediziner haben sich schon immer auf diesem Feld getummelt, daher werden wir im Spitzensport nicht als Exoten wahrge- nommen. Zunehmend wird das Fachgebiet als „Markt“ dargestellt, der eine Möglichkeit bietet, sich zu positionieren. Das sehen wir als Fachgesellschaft natürlich nicht so. Die Sportzahnmedizin ist ein Querschnitts- fach der Zahnmedizin innerhalb der Sport- medizin. Sie ist kein „Markt“, um primär wirtschaftliche Ziele zu erreichen. Neu ist, dass wir unsere Konzepte auf den Boden der Wissenschaft stellen. Hier sind wir, wenn Sie so wollen, Exoten. Wir sind dabei, das zu ändern. Die Fragen stellte Stefan Grande. ? ? ? ? Beim sportzahnärztlichen Screening geht es um das schnelle und sichere Erfassen von Krankheitswahrscheinlichkeiten, sagt Dr. Holger Claas, Präsident der Deutschen Gesellschaft für zahnärztliche Prävention und Rehabilitation im Spitzensport e.V. (DGzPR Sport). Neben einer speziellen Anamnese, die beispielsweise auch die Ernährungsgewohnheiten erfasst, wird dabei ein gingivaler/parodontaler Ent- zündungstest durchgeführt. Daran schließt sich ein CMD-Screening (CMD- Check nach Ahlers & Jakstat) an. Claas: „Die Screeningdaten werden in einer App erfasst und im Ampelprinzip bewertet. Rot bedeutet eine hohe Wahrschein- lichkeit des Vorliegens der getesteten Erkrankung.“ In der Regel werden die Sportler bei entsprechender Anamnese und Krankheitswahrscheinlichkeit dann in die sportzahnärztliche Befundung, also die zweite Säule des Konzepts der DGzPRsport, überführt. Das Screening soll gemäß Konzept halb- jährlich, die sportzahnärztliche Befun- dung mindestens jährlich von einem Zahnarzt durchgeführt werden. Der zahnmedizinische Koordinator und das medizinische Team stehen dabei in engem Kontakt und Austausch. \ Das sportzahnärztliche Screening Will die Sportzahnmedizin wissenschaftlich weiter etablieren: Dr. Holger Claas. Foto: Alexandra Claas 118 zm–starter
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