Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 22

zm 108, Nr. 22, 16.11.2018, (2590) Dekade keineswegs zum Rückgang der Ein- zelpraxis geführt hat. Die Möglichkeiten der Beschäftigung von angestellten Zahnärzten haben vielmehr dazu geführt, dass die Unter- schiede zwischen den (rechtlich definierten) Praxisformen zunehmend verschwimmen, da eine Einzelpraxis infolge des Einbezugs von angestellten Zahnärzten organisatorisch ebenfalls zu einer kooperativen Praxisform weiterentwickelt werden kann und von dieser Option auch zunehmend Gebrauch gemacht wird. Insofern wird eher der Einzel- kämpfer als die Einzelpraxis verschwinden. Wenn die Einzelpraxis auch in Zukunft Bestand haben wird, so verändert sie im Wettbewerb der Praxisformen doch ihr Gesicht. Die durchschnittliche Einzelpraxis wird größer, sie wird mehr Behandlungs- zimmer und Dentaleinheiten, mehr Be- schäftigte und einen höheren Umsatz auf- weisen. Mit steigender Praxisgröße wird eine Fixkostendegression möglich, die den Betriebsausgabenanteil senkt und somit po- sitiv auf den Einnahmenüberschuss wirkt. Die Flexibilität der Formen macht auch krea- tive Formen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie möglich. Die Arbeitsbelastung in der Praxis lässt sich nicht nur in der Anstellung steuern, sondern auch in der Selbstständig- keit – beispielsweise durch die Beschäftigung angestellter Zahnärzte, die den beziehungs- weise die Praxisinhaber genau da entlasten, wo es erforderlich ist. Das Einzelkämpfertum ist passé; die Praxisinhaber könnten sich auf ihre eigenen Kernkompetenzen konzentrieren, indem sie beispielsweise durch genossen- schaftliche Kooperationen von anderen (Verwaltungs-)Aufgaben entlastet werden [Henke und Podtschaske, 2014]. Auch wenn der Existenzgründer den Zu- schnitt seiner Praxis, den Standort, die Rechtsform, die Arbeitsschwerpunkte, die Finanzierung sowie die Aufbau- und Ablauf- organisation nach eigenen Vorstellungen gestalten kann, so muss er doch das Grün- dungsumfeld inklusive perspektivischer Entwicklungen mit in Betracht ziehen. Für den zahnärztlichen Existenzgründer stellen diese Umfeldbedingungen Faktoren dar, die auf seine berufliche Tätigkeit einwirken, aber zugleich von ihm selbst nicht beein- flusst werden können. Die Entwicklungs- möglichkeiten der sogenannten Mundge- sundheitswirtschaft, das heißt, der Branche in Gesamtheit, sind auf absehbare Zeit gegeben und ein Indiz dafür, dass die Branche mit ihrer Vielgestaltigkeit insge- samt flexibel und angemessen auf die gesellschaftlichen Trends reagiert (hat). Die zunehmende dental awareness der (altern- den) Bevölkerung schlägt sich in veränder- ten Inanspruchnahmemustern und Versor- gungsbedarfen nieder, auf die die Branche wie jede einzelne Zahnärztin beziehungs- weise jeder einzelne Zahnarzt reagieren kann. Die oralepidemiologischen Daten ver- deutlichen, dass die präventiven Anstren- gungen der Zahnärzteschaft nicht per se zu einem Rückgang der Behandlungs- bedarfe führen werden, sondern vielmehr zu einer Verschiebung des Behandlungs- bedarfs in spätere Lebensjahre. Der Bedeu- tungszuwachs des privat finanzierten soge- nannten Zweiten Mundgesundheitsmarkts zeigt zudem, dass die steigenden Haushalts- einkommen der Bevölkerung auch zunehmend für den Konsum von Gesundheitsgütern und -dienstleistungen genutzt werden. Dies bietet beispielsweise Spielraum für das Angebot von Formen des gleich- und andersartigen Zahnersatzes – jenseits der Regelversorgung. Angesichts dieser insgesamt positiven Branchenaussichten kann es nicht ver- wundern, dass neue Anbieter in den Markt eintreten und der Wettbewerbsdruck in bestimmten Standortlagen spürbar steigt. Stabile Märkte locken Investoren an – und so gründen Klinikketten immer häufiger medizinische Versorgungszentren (MVZ) und Fremdkapital fließt in die Praxen – finanziert durch sogenannte Private-Equity-Fonds oder Private-Equity-Gesellschaften. Kontraproduktiver Trend: das MVZ im Speckgürtel Die im Jahr 2015 mit dem „Gesetz zur Stär- kung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-VSG) ermög- lichte Gründung von fachgruppengleichen medizinischen Versorgungszentren in der zahnmedizinischen Versorgung hat recht schnell zu einer Ansiedelung von zahnärzt- lichen MVZ in Ballungsgebieten und städ- tischen Randlagen („Speckgürtel“) geführt. Für den zahnärztlichen Berufsstand ist es vor dem Hintergrund des Sicherstellungs- auftrags kontraproduktiv, wenn die Beschäf- tigungsverhältnisse für angestellte Zahn- ärzte aufgrund der Kapitalverwertungs- interessen von Privatinvestoren primär in überversorgten Regionen entstehen, wäh- rend es zugleich unterversorgte ländliche Bereiche gibt, die von jungen Zahnärzten ansonsten prinzipiell als Niederlassungsort in Erwägung gezogen würden [Kettler et al., 2018]. Art der Praxisgründung nach Ortsgrößenklassen (Durchschnitt der Jahre 2013-2016) Prozent 0 20 40 60 80 100 12,4 % 6,7 % 16,4 % 13,9 % 12,7 % 12,2 % 9,6 % 63,2 % 65,2 % 51,6 % 51,5 % 54,5 % 56,3 % 57,9 % 28,5 % 29,5 % 29,4 % 30,8 % 29,5 % 25,9 % 21,6 % 2,8 % 2,2 % 2,5 % 3,8 % 3,4 % 2,0 % 4,0 % Landgemeinde kleine Städte größere Kleinstädte kleinere Mittelstädte größere Mittelstädte kleinere Großstädte große Großstadt Einzelpraxisneugründung Einzelpraxisübernahme Berufsausübungsgemeinschaft Andere Quelle: Klingenberger (nach Klingenberger und Köhler, div. Jahrgänge) 26 Praxis

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